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Herbstgruß 2022 der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg

Foto: Dr. Manfred Schneider, Nußloch - www.monumente-im-bild.de

Neben den zur Erde fallenden bunten Blättern verbinden wir die Weinernte mit den zum Platzen prall gefüllten Trauben mit dem Herbst. Der Wein, seit jeher ein Mysterium, gilt wegen der Wirkung des gekelterten Traubensaftes als Sinnstifter ausgelassener Feste. Trauben und Wein sind typische Elemente bei Darstellungen des Herbstes im Schloss Bruchsal, zum Beispiel in der südwestlichen Ecke des Kaisersaals. Eine ganz andere herbstliche Frucht ist auf der kleinen, goldgerahmten Supraporte von Katharina Treu zu sehen, die Sie im Winterspeisezimmer der Beletage bestaunen können. Die 1743 geborene Malerin stammte aus einer Bamberger Künstlerfamilie und erhielt ihre Ausbildung zunächst vom Vater. Fürstbischof Franz Christoph von Hutten förderte sie schon als Kind und empfahl sie später an den Hof von Kurfürst Karl Theodor von der Pfalz. Hutten soll ihr kostbare exotische Früchte gesendet haben, um sie zu malen. Die Ergebnisse entzückten ihn und er berief sie als Hofmalerin nach Bruchsal.
Auf den Bildern im ersten Zimmer des südlichen Privatappartements geben Tiere, Früchte und Blumen beredt Einblick in Tischsitten und Essgewohnheiten am Fürstbischöflichen Hof. Die Zubereitung von Speisen und, was gegessen wird, ist bis heute einem ständigen Veränderungsprozess unterworfen. Eine Vielzahl von Tieren, die sich hier finden, werden heute in unserem Kulturkreis nicht mehr verzehrt. Exotische Früchte hingegen, wie auf einigen Bildern opulent dargestellt, werden heute im Obstregal nahezu ganzjährig angeboten.
Neben den farbfreudigen Stillleben mit reifen Melonen, Feigen, Granatäpfeln, Trauben und Quitten ist die Darstellung von Katharina Treu fast bescheiden. Auf der linken Bildhälfte sind Teller mit Essensresten gestapelt, an denen sich ein Vogel, ein Falter und eine schwarze Stubenfliege laben. Die Zitrusfrüchte stammen vielleicht aus den eigenen Orangerien des Fürsten. Der rechte Bildhintergrund ist von einem Holzkästchen mit Schiebedeckel vereinnahmt, an dessen Seitenwand links oben die Malerin signiert hat. Im Vordergrund liegt eine geöffnete Papiertüte mit Mandeln und Walnüssen, links daneben Edelkastanien, teilweise noch in ihrer stacheligen Schale, gerade so wie sie im Herbst vom Baum fallen.

Mit ihrer Igelschale finden sie sich mehrfach in Stillleben von Katharina Treu. Sie bargen malerisch verschiedenste Herausforderungen, zum Beispiel die Darstellung der dunkel glänzenden Oberfläche der Frucht, die Struktur der Stachelschale oder ihr samtähnliches Inneres.
Edelkastanien wurden bereits in der griechischen Antike kultiviert und im ganzen Mittelmeerraum und später von den Römern im ganzen Reich verbreitet. Bereits im Mittelalter pflanzten Zisterziensermönche plantagenartige Anlagen. Der großflächige Anbau von Weinreben in Kombination mit Kastanien ist eng mit der römischen Besiedlung am Oberrhein verbunden und erfährt eine Renaissance im 18. Jahrhundert. Das Holz der Edelkastanie wurde wegen seiner Witterungs- und Fäulnisbeständigkeit und seiner Farbe geschätzt, die Borke zum Gerben von Leder genutzt.
Schon in der Antike stand die Edelkastanie als wichtige Nahrungspflanze in hohem Ansehen. Von Apicius, dem Koch Kaiser Augustus, sind Kochrezepte überliefert. König Rothari schützte das Buchengehölz 641 in einer Auflistung und Karl der Große befahl den Anbau auf seinem Königsgut. Im 10. Jahrhundert spezialisierten sich Bauern zu „Castagnatores“. Vor allem in Gebieten wo Getreideanbau nicht möglich war, waren Kastanien eine wichtige Kohlenhydratquelle. Sie wurden zum Ende des Mittelalters als Nahrungsmittel  der arbeitenden Bevölkerung und zur Schweinemast angesehen, weniger als Nahrung für die höheren Stände. Vom 16. bis zum 18. Jahrhundert stieg der Anbau von Edelkastanien wieder an. In vielen Gebieten Südeuropas waren sie in manchen Regionen fast die einzige Nahrungsquelle. Je nach Region wurden ein bis zwei Bäume für die ganzjährige Ernährung einer erwachsenen Person veranschlagt.
Maroni oder Keschde enthalten einen hohen Anteil an Kohlenhydraten und Zucker. Im Gegensatz zu den meisten anderen Nüssen ist ihr Fettgehalt deutlich geringer. Sie sind frei von Klebstoffen, deshalb ist Kastanienmehl nur in Mischung mit anderem Mehl backfähig. Der Gehalt an essentiellen Aminosäuren und einigen B-Vitaminen ist äußerst hoch. 2021 wurde in den Blättern ein Inhaltsstoff gefunden, der gegen MRSA wirksam ist und ihn ebenfalls im Kastanienhonig festgestellt.
Ob Sie frische oder bis zu 2 Jahre haltbare getrocknete Kastanienprodukte in Ihrem Haushalt verwenden, die Möglichkeiten, die Esskastanien zuzubereiten und zu verkosten, sind riesig. Kandiert in Spanien, geröstet, als Eis in Südfrankreich, in Alkohol, zu Bier gebraut wie in der Schweiz, als Flocken im Müsli, in der Pasta, als Gnocchi, als Brot oder als köstliches Gebäck, gekocht zum neuen Wein, als Suppe, im Saumagen, in Cremes, als Likör oder einfach als Beilage – genießen Sie den herbstlichen Spaziergang mit den Kastanienköstlichkeiten Europas.
Sie finden auch einen Baum im Schlossgarten Bruchsal. Wenn Sie die interessante Frucht nicht kennen, kommen Sie zuvor ins Schloss und finden Sie die Edelkastanien in der kleinen goldgerahmten Sopraporte im Winterspeisezimmer der Beletage.
 
Einen goldenen Herbst wünscht Ihnen Ihr Schloss Team Bruchsal – Doris Buhlinger
 
Kastaniensuppe
Kastanien in Salzwasser kochen. Nach ca. 40 min. lassen sich die äußere Schale und das innere hellbraune Häutchen entfernen. Die geschälten Nüsse in Butter anbraten bis sie Farbe annehmen. Mit Puderzucker bestreuen und karamellisieren lassen, einige zur Seite stellen. Alles mit Brühe auffüllen, kurz köcheln lassen und pürieren. Die Suppe mit Sahne abrühren, mit etwas Zimt, Pfeffer und Salz abschmecken. Die übrigen karamellisierten Kastanien zerkleinern und dekorativ in die Suppe einlegen, heiß servieren – guten Appetit.