300 Jahre sind vergangen, seit der Grundstein zur Bruchsaler Hofkirche gelegt wurde. Wenn man heute die Kirche betritt, kommt man in ein nüchtern gestaltetes, fast spartanisch wirkendes Gotteshaus. Lediglich das große, von Fritz Wotruba geschaffene Altarkreuz und die teils goldfarbenen Kreuzwegtafeln von HAP Grieshaber bilden einen kleinen Kontrast zu den weißen Wänden. Das war nicht immer so. Vor seiner Zerstörung im 2. Weltkrieg war der Sakralbau ein süddeutsches Beispiel spätbarocker Baukunst. Für die innere Ausgestaltung der Kirche konnten zahlreiche bekannte Künstler und Kunsthandwerker gewonnen werden. Zu nennen wären beispielsweise die Gebrüder Asam, die das Deckengemälde schufen, aber auch der Rastatter Hofbaumeister Michael Ludwig Rohrer und der ebenfalls von dort kommende Marmorierer Matthias Brückner sollen nicht unerwähnt bleiben. Als Archivale des Monats haben wir dieses Mal ein Diapositiv ausgewählt, das uns die „alte“ Hofkirche vor der Zerstörung zeigt. Der Blick geht von der Sakristei zum östlich gelegenen Hochaltar. Ohne solche, oft nur zufällig ins Archiv gekommenen Zeitzeugnisse, wäre unser Wissen über die Bruchsaler Stadtgeschichte bedeutend geringer.
August
Manchmal muss man einfach raus aus der Stadt! Das dachten sich auch die Verantwortlichen dieser Turnerbund-Jugendgruppe und organisierten 1927 einen Ausflug ins Grüne. Legere Kleidung, lockere Sitzhaltungen und Gitarren zeigen noch die Einflüsse der Wandervogelbewegung der Vorkriegsjahre.
Das Bild stammt aus der Fotosammlung Habermann. Ernst Habermann wurde für seine mehrbändige Dokumentation über „Alt-Bruchsal“ mit Stadtansichten vor der Kriegszerstörung 1945 bekannt. Für diese sammelte er erhaltene Fotos aus der Bevölkerung. Doch er war auch Vereinsfotograf des Turnerbundes, bei dem er selbst Mitglied war und hielt Vereinsfeste, Ausflüge und Wettkämpfe aus den 1920er-Jahren für die Nachwelt fest.
Juli
Ab Anfang Juli schlüpft die zweite Generation der Raupen der einbindigen Traubenwickler, der sogenannte „Sauerwurm“. Was wie leckere Ware in einer Süßwarentheke klingt, mögen Winzer nun aber überhaupt nicht. Pro Exemplar kann der Sauerwurm nämlich 13-17 Beeren durch Fraß schädigen und damit die Ernte ganz schön dezimieren. Im 19. Jahrhundert wurde deshalb breit gegen dessen Verbreitung vorgegangen. 1886 veröffentlichte das Innenministerium in Karlsruhe eine Informationsbroschüre über den Heu- (Raupen der 1. Generation) und Sauerwurm. Aber schon 1839 erreichte eine Verordnung des Großherzoglichen Oberamts die Ortschaften, in denen vor der Raupe gewarnt wurde und die „Reinigung“ der Bäume im Winter, also die Suche und Wegnahme der Puppen, angeordnet wurde. Der Bürgermeister von Untergrombach nahm diese Anweisungen ernst. Er ließ die gesamte Gemeinde versammeln, um die Verordnung publik zu machen und teilte dabei gleich die Ortsgemarkungen in elf Distrikte ein. Für jeden Distrikt gab es eine Aufsichtsperson, die aus dem Kreis des Gemeinderats und der Bürgerschaft ausgelost wurde. So enthielt zum Beispiel Joh. Modery „sämtliche Bäume von den Bruchsaler Straßen rechts bis an Wald und links bis an die Weinberge herein wonach die Wittumsgärten sind bis vor das Dorf“ zur Aufsicht. Er hatte die Reinigungsarbeiten anzuordnen und säumige Grundstücksbesitzer zu melden. Wer sich nicht in angemessenem Umfang an der Aktion beteiligte, hatte mit einer Geldstrafe zu rechnen. Wer mehr wissen will, unsere Archivale des Monats aus dem Bestand der Gemeinde Untergrombach trägt die Signatur A 357 und kann in den Räumlichkeiten des Stadtarchivs eingesehen werden.
Juni
Das Archivale des Monats Juni will an den Künstler Ludwig Barth erinnern, der vor 125 Jahren, am 7. Juni 1898, in Bruchsal geboren wurde. Beruflich wollte er in die Fußstapfen seines Vaters treten und daher absolvierte er ab 1915 ein Studium an der Karlsruher Kunstakademie. Seine Professoren waren Walter Georgi und Walter Conz. Kriegsdienst und Gefangenschaft unterbrachen seine Ausbildung, die er erst 1924 zum Abschluss bringen konnte. Im gleichen Jahr ließ er sich in Karlsruhe nieder, wo dann auch für die nächsten Jahrzehnte sein Lebensmittelpunkt war. Ludwig Barth entwickelte sich zu einem viel gefragten und vielfältig tätigen Maler und Zeichner. So schuf er zahlreiche Illustrationen für Kinder-, Sach- und Schulbücher, aber auch nicht wenige Ansichten von Dörfern, Städten und Landschaften. Ebenso war er als Kirchenmaler tätig und er entwarf Motive für Briefmarken und Schmucktelegramme. Und damit sind wir jetzt beim Archivale angekommen. Die Jüngeren werden gar nicht mehr wissen, was Telegramme sind. Aber als es noch keine Smartphones, SMS oder Messenger-Dienste gab, waren sie die schnellste Art, eine Textnachricht von A nach B zu schicken. Möglich wurde dies durch die Erfindung der Telegrafie und die Nutzung der Funktechnik. Optisch machten die Telegrammzettel nicht viel her. Wenn man jedoch zu einem besonderen Anlass ein Telegramm verschicken wollte, konnte man bei der Bundespost ein Schmucktelegramm in Auftrag geben. Das waren schöngestaltete Druckblätter und unser Beispiel zeigt ein Exemplar, das Ludwig Barth in den 1950er Jahren für die Übermittlung von Hochzeitsglückwünschen entworfen hat. Es liegt in der Natur der Dinge, dass Telegramme im Laufe der Jahre immer weniger genutzt wurden. Ende 2022 fand ihre Ära das endgültige Ende.
Mai
Der Feiertag zum 1. Mai wurde zwar erst 1919 zum ersten Mal begangen, doch Maibräuche und -feste gab es bereits in der Antike. Und da der 1. Mai vor 170 Jahren auf einen Sonntag fiel, gab es auch in Bruchsal Gelegenheit zu feiern. Unser Archivale des Monats ist eine Anzeige aus dem „Bruchsaler Wochenblatt“ vom 30. April 1853. Darin kündigt der Wirt der Gaststätte „Drei Könige“ an, am 1. Mai seine Gartenwirtschaft zu eröffnen. Zur musikalischen Begleitung wird der Musikkorps des Reiterregiments beitragen. Das „Bruchsaler Wochenblatt“ bietet eine Fülle von Informationen über das Leben in Bruchsal und Umgebung. Neben öffentlichen Mitteilungen der Verwaltung bietet ein großer Anzeigenteil Informationen über Handelswaren, Auswanderer, Immobilien, Chirurgendienste und vieles Weiteres, kurz: Nützliches und Kurioses kann man auf den bereits digitalisierten Seiten dieses Periodikums finden. Die kleinen Bildchen neben den Anzeigen nannte man übrigens "Klischees", sie wurden dem Inhalt der Anzeige angepasst. Kleine Häuschen bei Immobilienanzeigen, ein Hund bei einer Meldung eines zugelaufenen Hühnerhundes und vieles mehr boten die Zeitungsverlage ihren Kunden an, um den Blick der Leser auf die kleinen Kästchen zu lenken.
April
Diesen Monat stellen wir in unserer Reihe ein 65 Jahre altes Luftbild vor. Der Grund für die Auswahl ist die Tatsache, dass der Bruchsaler Schwimmverein in diesem April auf 75 Jahre Vereinsgeschichte zurückblicken kann, und dass der frühere „Sportplatz“ der Schwimmerinnen und Schwimmer, nämlich das Freibad, auf dem Foto links unten gut zu erkennen ist. 1891 wurde das Bad gebaut und wenige Jahre später um ein Frauenbecken erweitert. Bald nachdem diese Aufnahme entstanden ist, musste es für die Stirumschule Platz machen. Die dort verlaufende Schwimmbadstraße erinnert allerdings heute noch an diese besonders in heißen Sommermonaten geschätzte städtische Einrichtung. Die schwimmbeckenfreie Zeit währte glücklicherweise nicht lange. Bereits 1960 konnte das neue Freibad am unteren Schlossgarten eröffnet werden.
März
Am 4. März beginnt die Stadtbibliothek Bruchsal mit dem neuen Projekt der „Saatgutbibliothek“. Bei der Auswahl des Saatguts wurde auf traditionelle, möglichst regionale Gemüsesorten sowie insektenfreundliche Blumen wert gelegt. Ausleihen kann jeder; wer keinen Bibliotheksausweis hat, kann einen kostenlosen Staatgutbibliotheksausweis bekommen.
Dass der Naturschutz auch schon in früheren Zeiten eine Rolle spielte, wollen wir mit unserer Archivale des Monats März zeigen. Die Akte „Schutz der heimischen Tier- und Pflanzenwelt; das Sammeln von Heilpflanzen“ aus dem Bestand Büchenau beginnt im Jahr 1928 und gibt wieder, welche Sorten besondere Beachtung fanden. So sollte im Frühjahr darauf geachtet werden, dass Seidenbast, Sternhyacinthe, großes Schneeglöckchen und Weidenkätzchen nicht gepflückt, abgerissen oder ausgegraben und in den Handel gebracht wurden. Auch Lurche, ihre Eier und Larven standen unter dem Schutz der Verordnungen des Bezirksamtes. Gerade Ausflügler wurden angemahnt, die heimische Tierwelt nicht durch Lärm oder Verlassen der Wege zu stören. Einzig gegen Spargelfliegen und Maikäfer sollte aktiv vorgegangen werden.
Februar
Das Lied vom „Brusler Dorscht“ kennen Sie sicher – aber wussten Sie, dass es auch eins mit dem Titel „Der Brusler Mut“ gibt?
Um 8 Uhr und 11 Minuten ging es am 19. Februar des Jahres 1903 im großen Saal des Kaiserhofs los mit der Damensitzung des GroCaGe Bruchsal. In bester Jugendstilmanier ist das Titelblatt des Liederblattes mit Ornamenten und stilisierten Pflanzen gestaltet. Die Seiten im Programm zieren Illustrationen von musizierenden oder trinkenden Harlekins, Mondgesichtern und Weinflaschen-Traubenhenkel-Arrangements. Insgesamt fünf Lieder beinhaltet das Liedblatt. Das erste ist ein Gruß der Familie Bopp aus New-York in Erinnerung an den Besuch des Prinzen Heinrich von Preußen bei der dortigen deutschen Musikgesellschaft „Arion“; das zweite „Unser Pegasus“, handelt von einer Trambahn, die Bruchsal zur Großstadt machen könnte. Im Gegensatz zu diesen doch eher beschaulich-humoresken Liedern steht das Lied „Der Brusler Mut“, das doch recht martialisch den Widerstand der Bruchsaler gegen den Kurfürsten von der Pfalz schildert und auch noch Zeitgenossen davor warnt, mit einem Brusler Streit anzufangen.
Januar
Das erste Kind des Jahres ist immer eine Geschichte wert – blättern wir doch einmal 150 Jahre in den Personenstandsbüchern zurück und werfen einen Blick in das Geburtenregister des Jahres 1873. Als erstes Kind des Jahres kam am 1. Januar um 3 Uhr 37 morgens Maria Antonia Habermann zur Welt. Ihre Eltern waren der Bäcker und Bruchsaler Bürger Franz Josef Habermann und seine zweiten Ehefrau Maria Luise geborene Lengle. Warum Sie trotzdem als Nummer 2 vermerkt ist? Das Kind mit Nummer 1 kam am 31.12.1872 am Nachmittag zur Welt, die Geburt wurde erst im neuen Jahr beim Standesamt gemeldet. Nach Ortsfamilienbuch das jüngste von neun Geschwistern, war Maria Antonia Habermann die erste, die standesamtlich erfasst wurde. Das zivile Standesamtswesen wurde nach Vorbild Frankreichs in der ersten Hälfte der 1870er Jahre eingeführt, in Baden bereits zum 1. Februar 1870, je nach Region Deutschlands dauerte es bis Januar 1876. Davor wurden Geburten, Heiraten und Sterbefälle nur in den Kirchenbüchern der jeweiligen Gemeinde vermerkt. Der blau geschriebene Randvermerk gibt das Sterbedatum von Maria Antonia an: mit 72 Jahren ist sie bei der Bombardierung der Stadt ums Leben gekommen. Standesamtsbücher sind für die Familienforschung wichtige Quelle. Hier werden Geburten, Heiraten und Sterbefälle festgehalten. Durch sie kann die Linie durch die Zeit weiterverfolgt werden, da die Einträge auch Hinweise auf die Eltern der Personen enthalten, die eine Spur zur nächstälteren Generation liefern.
Dezember
Bäume und Statuen säumen den Weg vom Gartentor zum Schloss. Dieses Fotomotiv gehört sicher zu den beliebtesten Ansichten Bruchsals. Und das nicht nur heute, sondern bereits um die Jahrhundertwende, wie unser Archivale des Monats Dezember zeigt. Mit geschlossener Schneedecke erhält es noch einmal eine ganz besondere Atmosphäre. Die gesamte Familie ist hier auf einem Schneespaziergang mit Schlitten unterwegs. Das Motiv scheint bis heute (mit Ausnahme der Kleidung und Hutmode) unverändert, doch wer unsere Archivalienreihe in diesem Jahr verfolgt hat weiß, welche Anstrengungen es bedurfte, um diesen Zustand nach dem Zweiten Weltkrieg wiederherzustellen. Mit diesem Bild verabschieden wir uns von unserem Jahresthema „300 Jahre Schloss Bruchsal“ und widmen uns nächstes Jahr wieder verschiedenen Themen rund um die Stadtgeschichte.
November
Im November werden die Bäume kahl im Schlossgarten… trotzdem ist das Areal einen Besuch wert, besonders an einem sonnigen Wintertag. Der Schwanenteich lockt mit Flügelschlägen auf dem stillen Gewässer und die beiden Grotten fügen eine pittoreske Stimmung hinzu. Die Postkarte stammt, der Kleidung der Personen nach, aus der Zeit um 1910 – doch das Motiv des Schwanenteichs mit dem Häuschen in der Mitte findet sich auch heute noch beinahe unverändert.
Oktober
Im Rahmen der großen Schlossrenovation Anfang des 20. Jahrhunderts wurde beschlossen, bei der Neugestaltung der Außenbereiche auch ein Denkmal für die letzte „Schlossherrin“ zu errichten. Die Rede ist von der badischen Markgräfin Amalie, welche die ehemals fürstbischöfliche Residenz von 1806 bis zu ihrem Tod im Jahre 1832 als Witwensitz nutzte. Man entschied sich, dieses Denkmal in Gestalt eines Brunnens zu verwirklichen und als Standort wurde die Fläche vor dem Eingang des Amtsgerichts ausgewählt. Dieser Platz schien als geeignet, da er mit dem Torwachthaus über den Mittelweg durch den Ehrenhof bis hin zum Haupteingang des Schlosses eine Sichtachse bildete. Den architektonischen Entwurf für den Amalienbrunnen fertigte Bauinspektor Dr. Fritz Hirsch, für den figürlichen und dekorativen Schmuck war der noch junge aufstrebende Medailleur und Graphiker Heinrich Ehehalt verantwortlich. Unser Archivale des Monats zeigt den Moment als vor 110 Jahren der Schlussstein auf den Brunnen gesetzt wurde. Von den gezeigten Personen ist leider nur eine namentlich bekannt: Es ist Fritz Hirsch (vorne, 2.v.r.), der im Übrigen nicht nur den Brunnen entworfen, sondern auch für die gesamte Schlossrenovation die fachliche Verantwortung getragen hat.