Wo findet man viele Bücher? Hauptsächlich in Buchhandlungen und natürlich in Bibliotheken, egal ob es sich um Stadt-, Landes- oder Universitätsbibliotheken handelt. Doch es gibt auch Bücher, die man nur an einem ganz bestimmten Ort findet – nämlich in einem gut gesicherten Archiv. Gründe hierfür gibt’s genug. Diese Bücher sind entweder zu wertvoll, zu selten, zu alt, zu klein, zu groß, zu fragil oder vom Inhalt her zu „vertraulich“ als dass man sie bedenkenlos jeder Person einfach zugänglich machen könnte. Zu diesen Druckwerken gehören beispielsweise die Protokollbände von nichtöffentlichen Rats-Sitzungen. Hier sind oftmals personenbezogene Daten und Vorgänge aufgeführt, die datenschutzrechtlich erst nach Ablauf gewisser Sperrfristen publik gemacht werden dürfen. Und deshalb stehen diese Bücher z. B. nicht frei zugänglich in der Stadtbibliothek, sondern im Stadtarchiv. Doch am 15. April 2024 kann man in die Welt dieser großen, kleinen, seltenen, alten oder „geheimen“ Bücher eintauchen. Stadtarchivar Thomas Moos wird einige von ihnen im Rahmen eines VHS-Vortrages vorstellen. Wer sich also für Stadtgeschichten und Buchgeschichten interessiert, sollte sich dieses Datum vormerken, es gibt Seltenes zu hören und zu sehen. Nähere Infos unter stadtarchiv@bruchsal.de bzw. bei der Volkshochschule.
März
Zwischen dem 27.2. und 6.3. zeigt das Stadtarchiv in den Räumen der Stadtbibliothek eine kleine Foto-Ausstellung zum Motto des diesjährigen Tags der Archive "Essen und Trinken". Der Tag der Archive findet seit 2004 alle zwei Jahre unter wechselnden Themen statt. Hier können die Archive zeigen, welche Schatztruhen sie für das historische Gedächtnis sind. Außerdem soll an den Einsturz des Kölner Stadtarchivs Anfang März 2009 erinnert werden. Die Ausstellung kann unentgeltlich während der Öffnungszeiten der Bibliothek besucht werden. Als Archivale des Monats März haben wir aus den Ausstellungspostern die Kartoffelstatistik von Obergrombach vom 1. März 1917 herausgesucht. Nach Haushalten aufgeteilt wurde hier erfasst, wie viele Zentner Kartoffeln im Dorf gelagert waren, wie viele für den Selbstverbrauch vorgesehen waren und wie viele dafür als Saatgut für die nächste Ernste gebraucht wurden. Neben diesen landwirtschaftlichen Richtgrößen erfahren wir auch etwas über die Anzahl der Personen in den Obergrombacher Haushalten.
Februar
Vor 170 Jahren wurde in Bruchsal ein Frauen-Verein gegründet
Die Zeichnung von zwei Händen mit ausgestreckten Zeigefingern zeigen von rechts und links auf die Überschrift. „Aufruf!“ steht da in dicken Frakturlettern und darunter die Erläuterung: Um der „Noth des Augenblickes“ zu begegnen, werden „hiesige Frauen, deren Verhältnisse es immer erlauben“ aufgerufen, sich einem neuen Wohltätigkeitsverein anzuschließen. Diese Anzeige druckte das „Bruchsaler Wochenblatt“ am 24. Januar 1854 zwischen Mietannoncen und Kurznachrichten. Einige Tage später, am 1. Februar 1854, folgte dann die Einladung zur Gründungsversammlung im Rathaussaal. Dort wurde am 3. Februar die Gründung eines Frauen-Vereins beschlossen und über Statuten beraten. Dass der Verein demokratisch aufgebaut war, zeigt sich nicht nur an der Wahl eines fünfköpfigen Vorstandes und eines Ausschusses, sondern auch daran, dass über die ausgearbeiteten Statuten bei einer Folgesitzung noch einmal beraten wurde sowie die Zusicherung erging, dass über die Verwendung der Mittel „gewissenhaft Rechenschaft“ abgelegt werden würde. Dass der Verein jedoch einer traditionellen Auffassung von Armenfürsorge anhing, wird in der Bedingung deutlich, dass eine „sittliche Würdigkeit“ der hilfsbedürftigen Personen vorliegen musste. Wen genau dies ein- oder ausschloss, darüber entschied der Vereinsausschuss selbst. Wer waren die Mitglieder der Gremien? Die Frauen kamen überwiegend aus dem Beamten- und Handwerksmilieu, waren verheiratet, in ihren 40ern oder 50ern und religiös gemischt, neben den Katholikinnen waren auch mindestens zwei evangelische und zwei jüdische Frauen vertreten. Im weiteren Verlauf des Jahres meldete sich der Frauen-Verein immer mal wieder mit Veranstaltungsankündigungen oder Tätigkeitsberichten in der Zeitung. So wurde ein Wohltätigkeitskonzert mit der Musikschule organisiert und eine Lotterie. Neben einer direkten Hilfe mit Nahrungsmitteln und, in Ausnahmefällen, Geld, wurde in den Monaten Februar bis Mai an mehreren Tagen der Woche Suppe ausgegeben. Ein Bericht im Mai informierte über ausgegebene 60 Laib Brot, 70 Sester Kartoffeln (z.T. als Saatkartoffeln), Fleisch, Reis und Gerste sowie 320 Suppenportionen und etwas Bargeld. Eine Arbeitsschule für die Kinder verarmter Familien mit Unterricht im Nähen wurde ebenfalls angeboten. Der Verein hatte dazu eine Lehrerin eingestellt und einen Raum für über 80 Kinder angemietet. Im Dezember bedankte man sich für Geschenke, die an die Zöglinge ausgeteilt wurden. Die Auswertung der Tätigkeit des Frauen-Vereins im Stadtarchiv muss sich quellenbedingt leider auf die Zeitungsberichte beschränken und kann noch bis ins Jahr 1859 fortgesetzt werden.
Januar
Eine Grußkarte, eine Bonboniere oder eine Schachtel Pralinen, ein Strauß Blumen – und dann noch ein Tanz. Der Neujahrstag bot früher gute Gelegenheiten, einer Herzensdame den Hof zu machen. In Bruchsal hatte man da am 1. Januar 1854 gleich noch die Qual der Wahl, nicht nur bei den Tanzpartnern, sondern auch in Bezug auf die Lokalitäten. Ging man zum Metzgermeister Bornhäuser in den „Hirsch“ oder zum „Wolf“ in die Kaiserstraße? Oder war damals schon „Club-Hopping“ angesagt? Beide Wirtshäuser warben untereinander im „Bruchsaler Wochenblatt“ für ihre „Tanz-Belustigungen“. Damit die Leser auch auf den ersten Blick erkennen konnten, um was es sich bei der Anzeige handelte, belegte sie die Redaktion mit dem gleichen sogenannten „Klischeebild“, einer aufspielenden Musikantengruppe mit Tanzpaar.
Dezember
Einkommen: 27,2 Billionen
Noch einmal die Inflation von 1923… Die Umstellung von der Mark auf die Rentenmark im November 1923 läutete das Ende der Hyperinflation ein, doch bis sich der Preis- und Lohnspiegel tatsächlich normalisiert hatte, dauerte es noch einige Zeit. Davon zeugen diese beiden Lohnzettel für den Dezember 1923, ausgestellt Anfang Januar 1924. Elisabeth Maul und Margarete Eiffler arbeiteten in der Zigarrenfabrik S. Reiss in der Bahnhofsstraße 11 in Bruchsal (Telefonnummer: 42) und konnten einen Bruttolohn von 27,2 und 26,1 Billionen verbuchen. Weitere Reformen wie das Münzgesetz im August 1924, das die Reichsmark einführte, trugen zur Stabilisierung der Währung bei.
November
Ganz schön viele Nullen auf dieser Strafverfügung wegen Weinsteuervergehen. Über 39 Milliarden Mark hat der Obergrombacher Winzer hier zu zahlen. Ein Weinsteuerskandal epischen Ausmaßes? Ganz so groß war das Vergehen wohl nicht, aber im Herbst 1923 konnten auch schon mal Milliarden-Strafgelder für geringe Vergehen aufgebrummt werden. 14 Millionen Mark für ein Laib Brot – auch wenn Ehefrauen den Lohn ihrer Männer sofort nach Auszahlung in Leiterwägen von der Fabrik zum Bäcker brachten, konnte nicht gewährleistet werden, dass man auch Lebensmittel erwerben konnte. Ein nervenzehrender Alltag war das im Sommer und Herbst 1923. Am 15. November 1923 beendete eine Währungsreform die Inflation. Neben all den ernsten Aspekten blieben auch einige Kuriositäten in den amtlichen Dokumenten der Zeit überliefert, wie in den oben beschriebenen Strafverfügungen, unser Archivale des Monats November.
Oktober
Die Verbindung von Baden und Württemberg
Die Geschichte des deutschen Schienennetzes ist, ähnlich wie die der deutschen Landen selbst, die eines Flickenteppichs: Teilstrecken, organisiert in Landesbahnen, wurden angelegt und dann sukzessive erweitert. An einer Verbindung des württembergischen mit dem badischen Bahnnetz wurde jahrzehntelang verhandelt (Die Initiative kam übrigens aus Württemberg). 1853, vor 170 Jahren, war es soweit. Mit dem Bauabschnitt Bretten-Bruchsal wurde eine Verbindungsbahn hergestellt, die die badischen und württembergischen Züge im Bruchsaler Bahnhof zusammenführte. Der offizielle Betriebsbeginn war der 1. Oktober, bereits am 27. September fand eine feierliche Eröffnung statt. Zwei Jahre war gebaut worden und sowohl in Bruchsal als auch in umliegenden Ortschaften mussten dafür Gebiete verkauft, abgetreten oder neu erschlossen werden. Unser Archivale des Monats ist ein Schriftstück aus der Akte „Der Bau der Eisenbahn Bretten-Bruchsal, Geländeabtretungen etc.“ und stammt vom 2. Oktober 1853. Das königliche Eisenbahnbauamt in Bruchsal schreibt an den Bürgermeister von Helmsheim, dass nun sämtliche Straßen und „Wegcorrective“, die für den Streckenbau hergestellt oder in Stand gebracht worden waren, nun wieder zurück in den Verantwortungsbereich von Helmsheim fielen. Der Geometer Bubek würde in Zuge dessen mit Vertretern von Helmsheim über deren Unterhaltung und Übergabe sprechen und ein Protokoll abschließen.
September
300 Jahre sind vergangen, seit der Grundstein zur Bruchsaler Hofkirche gelegt wurde. Wenn man heute die Kirche betritt, kommt man in ein nüchtern gestaltetes, fast spartanisch wirkendes Gotteshaus. Lediglich das große, von Fritz Wotruba geschaffene Altarkreuz und die teils goldfarbenen Kreuzwegtafeln von HAP Grieshaber bilden einen kleinen Kontrast zu den weißen Wänden. Das war nicht immer so. Vor seiner Zerstörung im 2. Weltkrieg war der Sakralbau ein süddeutsches Beispiel spätbarocker Baukunst. Für die innere Ausgestaltung der Kirche konnten zahlreiche bekannte Künstler und Kunsthandwerker gewonnen werden. Zu nennen wären beispielsweise die Gebrüder Asam, die das Deckengemälde schufen, aber auch der Rastatter Hofbaumeister Michael Ludwig Rohrer und der ebenfalls von dort kommende Marmorierer Matthias Brückner sollen nicht unerwähnt bleiben. Als Archivale des Monats haben wir dieses Mal ein Diapositiv ausgewählt, das uns die „alte“ Hofkirche vor der Zerstörung zeigt. Der Blick geht von der Sakristei zum östlich gelegenen Hochaltar. Ohne solche, oft nur zufällig ins Archiv gekommenen Zeitzeugnisse, wäre unser Wissen über die Bruchsaler Stadtgeschichte bedeutend geringer.
August
Manchmal muss man einfach raus aus der Stadt! Das dachten sich auch die Verantwortlichen dieser Turnerbund-Jugendgruppe und organisierten 1927 einen Ausflug ins Grüne. Legere Kleidung, lockere Sitzhaltungen und Gitarren zeigen noch die Einflüsse der Wandervogelbewegung der Vorkriegsjahre.
Das Bild stammt aus der Fotosammlung Habermann. Ernst Habermann wurde für seine mehrbändige Dokumentation über „Alt-Bruchsal“ mit Stadtansichten vor der Kriegszerstörung 1945 bekannt. Für diese sammelte er erhaltene Fotos aus der Bevölkerung. Doch er war auch Vereinsfotograf des Turnerbundes, bei dem er selbst Mitglied war und hielt Vereinsfeste, Ausflüge und Wettkämpfe aus den 1920er-Jahren für die Nachwelt fest.
Juli
Ab Anfang Juli schlüpft die zweite Generation der Raupen der einbindigen Traubenwickler, der sogenannte „Sauerwurm“. Was wie leckere Ware in einer Süßwarentheke klingt, mögen Winzer nun aber überhaupt nicht. Pro Exemplar kann der Sauerwurm nämlich 13-17 Beeren durch Fraß schädigen und damit die Ernte ganz schön dezimieren. Im 19. Jahrhundert wurde deshalb breit gegen dessen Verbreitung vorgegangen. 1886 veröffentlichte das Innenministerium in Karlsruhe eine Informationsbroschüre über den Heu- (Raupen der 1. Generation) und Sauerwurm. Aber schon 1839 erreichte eine Verordnung des Großherzoglichen Oberamts die Ortschaften, in denen vor der Raupe gewarnt wurde und die „Reinigung“ der Bäume im Winter, also die Suche und Wegnahme der Puppen, angeordnet wurde. Der Bürgermeister von Untergrombach nahm diese Anweisungen ernst. Er ließ die gesamte Gemeinde versammeln, um die Verordnung publik zu machen und teilte dabei gleich die Ortsgemarkungen in elf Distrikte ein. Für jeden Distrikt gab es eine Aufsichtsperson, die aus dem Kreis des Gemeinderats und der Bürgerschaft ausgelost wurde. So enthielt zum Beispiel Joh. Modery „sämtliche Bäume von den Bruchsaler Straßen rechts bis an Wald und links bis an die Weinberge herein wonach die Wittumsgärten sind bis vor das Dorf“ zur Aufsicht. Er hatte die Reinigungsarbeiten anzuordnen und säumige Grundstücksbesitzer zu melden. Wer sich nicht in angemessenem Umfang an der Aktion beteiligte, hatte mit einer Geldstrafe zu rechnen. Wer mehr wissen will, unsere Archivale des Monats aus dem Bestand der Gemeinde Untergrombach trägt die Signatur A 357 und kann in den Räumlichkeiten des Stadtarchivs eingesehen werden.
Juni
Das Archivale des Monats Juni will an den Künstler Ludwig Barth erinnern, der vor 125 Jahren, am 7. Juni 1898, in Bruchsal geboren wurde. Beruflich wollte er in die Fußstapfen seines Vaters treten und daher absolvierte er ab 1915 ein Studium an der Karlsruher Kunstakademie. Seine Professoren waren Walter Georgi und Walter Conz. Kriegsdienst und Gefangenschaft unterbrachen seine Ausbildung, die er erst 1924 zum Abschluss bringen konnte. Im gleichen Jahr ließ er sich in Karlsruhe nieder, wo dann auch für die nächsten Jahrzehnte sein Lebensmittelpunkt war. Ludwig Barth entwickelte sich zu einem viel gefragten und vielfältig tätigen Maler und Zeichner. So schuf er zahlreiche Illustrationen für Kinder-, Sach- und Schulbücher, aber auch nicht wenige Ansichten von Dörfern, Städten und Landschaften. Ebenso war er als Kirchenmaler tätig und er entwarf Motive für Briefmarken und Schmucktelegramme. Und damit sind wir jetzt beim Archivale angekommen. Die Jüngeren werden gar nicht mehr wissen, was Telegramme sind. Aber als es noch keine Smartphones, SMS oder Messenger-Dienste gab, waren sie die schnellste Art, eine Textnachricht von A nach B zu schicken. Möglich wurde dies durch die Erfindung der Telegrafie und die Nutzung der Funktechnik. Optisch machten die Telegrammzettel nicht viel her. Wenn man jedoch zu einem besonderen Anlass ein Telegramm verschicken wollte, konnte man bei der Bundespost ein Schmucktelegramm in Auftrag geben. Das waren schöngestaltete Druckblätter und unser Beispiel zeigt ein Exemplar, das Ludwig Barth in den 1950er Jahren für die Übermittlung von Hochzeitsglückwünschen entworfen hat. Es liegt in der Natur der Dinge, dass Telegramme im Laufe der Jahre immer weniger genutzt wurden. Ende 2022 fand ihre Ära das endgültige Ende.
Mai
Der Feiertag zum 1. Mai wurde zwar erst 1919 zum ersten Mal begangen, doch Maibräuche und -feste gab es bereits in der Antike. Und da der 1. Mai vor 170 Jahren auf einen Sonntag fiel, gab es auch in Bruchsal Gelegenheit zu feiern. Unser Archivale des Monats ist eine Anzeige aus dem „Bruchsaler Wochenblatt“ vom 30. April 1853. Darin kündigt der Wirt der Gaststätte „Drei Könige“ an, am 1. Mai seine Gartenwirtschaft zu eröffnen. Zur musikalischen Begleitung wird der Musikkorps des Reiterregiments beitragen. Das „Bruchsaler Wochenblatt“ bietet eine Fülle von Informationen über das Leben in Bruchsal und Umgebung. Neben öffentlichen Mitteilungen der Verwaltung bietet ein großer Anzeigenteil Informationen über Handelswaren, Auswanderer, Immobilien, Chirurgendienste und vieles Weiteres, kurz: Nützliches und Kurioses kann man auf den bereits digitalisierten Seiten dieses Periodikums finden. Die kleinen Bildchen neben den Anzeigen nannte man übrigens "Klischees", sie wurden dem Inhalt der Anzeige angepasst. Kleine Häuschen bei Immobilienanzeigen, ein Hund bei einer Meldung eines zugelaufenen Hühnerhundes und vieles mehr boten die Zeitungsverlage ihren Kunden an, um den Blick der Leser auf die kleinen Kästchen zu lenken.