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Bombardierung Bruchsals am 01. März 1945

Pfarrer Heinrich Krems musste sich in seinen 19 Neutharder Jahren von 1938 bis 1957 erheblichen Herausforderungen stellen.
Es ist vielfach bestätigt, dass die Gemeinde in den letzten Kriegswochen seinen Französischkenntnissen und seinem engagierten Eintreten für die Bevölkerung viel zu verdanken hat. Etliches davon hat der Geistliche in seiner Pfarrchronik dokumentiert, in der er die Geschehnisse jener Zeit aus seiner Sicht schildert.  So auch den Bombenangriff auf Bruchsal, kurz vor Kriegsende am 1. März 1945.  Rund 1000 Menschen wurden bei diesem Luftangriff getötet, die Innenstadt zu 80 Prozent zerstört. Innerhalb von 40 Minuten hinterließen fast 900 Spreng- und 50.000 Brandbomben ein Flammenmeer und eine fast komplett ausgebombte Stadt.

Auszug aus der „Chronik Pfarrer Krems“

„Am Donnerstagnachmittag den 1. März 1945 gegen 1 Uhr 50 fand der furchtbare feindliche Überfall auf Bruchsal statt. Starke Detonationen und unheimliches Rauschen des über uns fliegenden Fliegergeschwaders wurde hörbar. Als die Detonationen stärker wurden verließen die Beichtkinder die Kirche und der Priester folgte ihnen. Schwarze Rauchwolken vermischt mit blutig roten Feuerflammen entstiegen Bruchsal. Ein neues Luftgeschwader rückte an und schwere Bomben wurden zielsicher abgeworfen.  Immer gewaltiger wurde der Rauch und immer unheimlicher die Feuerflammen.

Ich begab mich auf meinem Fahrrad nach Bruchsal in der Absicht, bei den Rettungsarbeiten zu helfen. Den Weg entlang zum nördlichen Bahnübergang führenden Allee, sah man schon beim Überschreiten der Bahngleise zum großen Entsetzen das altehrwürdige Bruchsaler Barock-Schloss in hellen Flammen. Ich suchte einen Weg durch die Stadt. Von keiner Seite aber gelang es mir, in das Stadtinnere zu kommen, so gewaltig war der Rauch und waren die Feuerfunken, die über die Straße hinwegflogen. In weitem Bogen umging ich die Stadt. Von keiner Seite war es möglich zur Stadtkirche und zum kath. Stadtpfarrhaus durchzudringen. Ich kehrte um und begab mich nach Sancta Maria, wohin sich Stadtpfarrer, Geistl. Rat Weißkopf von St. Paul blutend geflüchtet hatte. Mit ihm ging ich parallel zur Bahnlinie in den Pfarrgarten seines Pfarrhauses, das in hellen Flammen stand. Es war ein furchtbares Gefühl, das der Gedanke wachrief: Unter den Flammen und den Trümmern dieses zusammenstürzenden Pfarrhauses werden sich über 20 mit dem Tode ringende Menschen befinden. Leider unverrichteter Dinge entschloss ich mich von hier den Heimweg wieder anzutreten.

Furchtbares hat sich an jenem Nachmittag ereignet. Von besagtem nördlichem Bahnübergang an über das Damianstor hinauf zur Freiherr von Stein Schule einerseits und von der Büchenauerstraße an über den dortigen südlichen Bahnübergang bis zur Hans Schemm-Schule und darüber hinaus bis zur Eisenbahnlinie Bruchsal-Bretten anderseits war alles – also alle zwischen diesen Linien liegenden Gebäude- Raub der Flammen und wüster Trümmerhaufen geworden.


Die Stadtkirche unsere Lieben Frau, die Hofkirche: St. Damian und Hugo St. Pauluskirche an der Durlacherstraße nebst den dazu gehörenden Pfarrhäusern sind zerstört. Die Bewohner des Hofpfarrhauses wurden alle gerettet. Stadtpfarrer Beil fand erst um 2 Uhr nachts einen Ausweg durch den Heizungsraum. Sein im dortigen Pfarrhaus sich befindlicher älterer, ohnedies kränklicher Vetter verschied in Frieden.  Eine andere Schwester der „Englischen Fräulein“ wurde gleich zu Beginn des Angriffs in der Stadtkirche, wo sie am Herrichten der Altäre war, durch herabfallende Balken schwer verwundet, blieb aber am Leben. Stadtpfarrer Beil eilte gleich zu Beginn des Angriffes in die Stadtkirche und stieß auf die zu Boden liegende Schwester Siglinda und schleppte sie aus der Kirche hinaus, so dass sie am Leben erhalten blieb. Sehr schlimm und tragisch war das Sterben derer, die im Pfarrhaus von St. Paul ihre Zuflucht gesucht hatten. Nach dem ersten Angriff, in dem meistens Brandbomben geworfen wurden, hatten Stadtpfarrer Weisskopf und sein Kaplan das Pfarrhaus durcheilt und von den brennenden Brandbomben befreit. Es war das einzige Haus in der Nachbarschaft, das nicht brannte. Daraufhin hatten viele Nachbarn ihre Zuflucht in diesem Haus gesucht. Dann kam die zweite und dritte Welle und warf Brandbomben mit Sprengwirkung herunter, die auch dieses Pfarrhaus trafen. Stadtpfarrer Weisskopf und sein Kaplan und männlicher Laie befanden sich im vorderen Keller, um gleich beim Löschen bei der Hand zu sein. Die weiblichen Insassen und die Nachbarsleute saßen im Keller eigentlichen Luftschutzkeller innig den Rosenkranz betend. Und gerade da hinein musste ein Volltreffer fallen. Man nimmt an, dass dabei der Keller sich gehoben und die Insassen sogleich den Tod gefunden haben. 24 Personen wurden unter den Trümmern begraben.

Stadtpfarrer Weisskopf und seine Gefolgsleute entstiegen ihrem daneben liegenden Keller, indem sie an den Balken und herabfallendem Geröll die Decke erkletterten und durch einen Durchbruch entkamen. Das Krankenhaus blieb verschont. Außer den zerstörten kath. Kirchen und Pfarrhäusern gingen zu Grunde u. a. das schöne Schönbornsche Schloss. Ferner wurden Opfer des Fliegerüberfalls sämtliche zum ehemaligen Schloss gehörende Regierungsgebäude wie: Bezirks-, Finanz-, Domänen-, Forstamt, Polizeipräsidium, Gymnasium, u. a., außerdem Postamt, Sparkasse, Reichsbank. Wohl sämtliche Geschäftshäuser, Handwerkstätten und Wohnhäuser in dem oben abgegrenzten Teil der Innenstadt wurden zerstört. Es war erschütternd zu sehen, wie Überlebende auf den Trümmerhaufen stehen, unter denen ihre toten Angehörige und Freunde liegen und wie von Volkssturmleuten und ausländischen Arbeitern da und dort Leichen ausgegraben und zum Abtransport nach dem Friedhof in Massen auf einen Wagen getan werden. Ebenso war es erschütternd wie auf dem Friedhof die vielen zum Teil noch nicht identifizierte Leichen nebeneinander lagen und auf die Bestattung warteten.

Man kann biedere Geschäftsleute und Handwerker treffen, die unter Tränen vor ihren zertrümmerten Häusern, Geschäften und Werkstätten stehen und klagen. Der bekannte Möbelfabrikant Schroff sagte: „Ich habe alles verloren, nicht einmal die Kleider an meinem Leib gehören mir.“ Der Sonntagsstadtmesner verlor Frau und 5 Kinder und sagte einem Geistlichen, der ihm die Teilnahme aussprach: „Jetzt ist Karfreitag bei mir." Auf den Trümmern sah man einerseits arm gewordene Menschen, die nach ihren verschütteten Toten trauernd Ausschau halten oder ein paar armselige Habseligkeiten suchten, anderseits wachhaltende Männer in brauner Uniform mit aufgepflanztem Seitengewehr sich umsehend, ob irgendein Plünderer sein unsauberes Handwerk in dieser schlimmen Situation treiben wollte. Aus allen Ortschaften waren männliche und weibliche Angestellte in Bruchsal im Dienst.

Alle Ortschaften hatten bei dieser Katastrophe Tote zu beklagen. Von der Pfarrgemeinde Neuthard verlor Gott sei Dank bei dieser Gelegenheit niemand das Leben.“

Die Generation der Kriegskinder welche uns von ihrem Leid, Todesangst, Hunger und Verlust durch den Zweiten Weltkrieges erzählen können, stirbt langsam aus. Sie wurde von dieser blutigen Sinnlosigkeit geprägt und die aktuelle Krise wühlt Erinnerungen neu auf.

Hilde Schäfer, Jahrgang 1934, erzählt wie sie den Bombenangriff auf Bruchsal am 1. März 1945 erlebt hat.:

Hilde Schäfer (Mitte vorne) mit ihren Eltern Max und Luise Holzer, sowie ihrer ältesten Schwester Ida.

 „Ich saß am 30. März 1945 bei strahlend blauem Himmel am Ortsrand von Neuthard auf einer Mauer und sah mit 11 Jahren zu, wie ein Bombergeschwader im Tiefflug auf Bruchsal zuflog, wie der Bombenhagel über der Stadt niederging und die Stadt brannte. Der Anflug des Bombengeschwaders war bedrohend und beängstigend, und trotzdem siegte die Neugierde. Das ganze Ausmaß des Geschehens war mir als Kind in diesem Moment nicht bewusst.  
Erst als mein älterer Bruder von Bruchsal heimkam und aufgelöst berichtete, dass wenn der Vater im Postamt war, er nicht mehr am Leben sein kann, wurde uns bewusst was geschehen war. Mein Bruder war wegen den Folgen eines Unfalls untauglich und arbeitete beim Obermoser. Er hatte sich auf die Suche nach unserem Vater gemacht, der beim Postamt im Bruchsal arbeitete, jedoch gab es kein Durchkommen in die Stadtmitte. Auch am Abend hatten wir noch kein Lebenszeichen vom Vater.
Doch wie durch ein Wunder kam der Vater tags drauf zu Fuß heim.
Er hatte an diesem Tag Dienst im Postamt Bruchsals, als der Fliegeralarm wie schon so oft ertönte. Seine Arbeitskollegen konnten bereits im Luftschutzkeller unterkommen, nur er wollte noch ein Licht ausschalten und dann ebenfalls seinen Kollegen folgen. Er hatte schon die Türklinke zum Schutzraum in der Hand, konnte jedoch die Tür nicht mehr öffnen. Das sollte ihm das Leben retten. Für alle Insassen in diesem Schutzraum war keine Flucht mehr möglich, sie alle kamen bei dem Bombenangriff zu Tode.
War es Fügung? Das Schicksal wollte es, dass er gewissenhaft, wie er war, noch das Licht löschte und somit knapp dem Tode entkam.“

Diese Auszüge aus den Erinnerung der beiden genannten Personen spiegeln deren Sicht auf die Geschehnisse und ihre persönliche Einordnung derselben wider.
 
Text: Heimatforschung Neuthard: Auszug aus der Pfarrchronik von Pfarrer Krems und Erzählung der Zeitzeugin Hilde Schäfer
Bild Pfarrer Krems: Archiv der Heimatforschung Neuthard e. V.
Bild Familie Holzer: Hilda Schäfer
 
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