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Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer…

Schwalben besitzen traditionell eine symbolhafte Bedeutung. Nicht nur mit der obigen Redewendung, dass ein einzelnes Zeichen nicht auf ein erwartetes Ganzes schließen lässt. Die Redensart wird auf den griechischen Dichter von Tierfabeln und Gleichnissen Äsop zurückgeführt, der wohl im 6. Jahrhundert v. Chr. lebte. „Der verschwenderische Jüngling“ erzählt, wie ein junger Mann, der seine ganze Habe vertan hatte, auch noch seinen Mantel verkaufte, als er die erste heimkehrende Schwalbe sah, da er glaubte, der Frühling sei da. Doch es fror wieder, die Schwalbe starb und der frierende Verschwender beschimpfte sie. Kein Geringerer als Aristoteles formte daraus den geflügelten Satz: „Eine Schwalbe macht keinen Frühling“. Mit diesen Wurzeln fand die Floskel weite Verbreitung. In der deutschen Version wurde aus dem Frühling der Sommer. Mit ihrer Ankunft aus dem Süden als Zugvögel im Frühling avancierten sie aber ebenso zum Glückssymbol, wurden Überbringer von Grüßen aus der Ferne wie unter Liebenden, da die Schwalbenpaare über Jahre zusammenbleiben.
Orchestrion Inv. Nr. 2002/1381
Die Schwalbe kann auch Ausgangspunkt für die Betrachtung eines Orchestrions der Berliner Firma „Frati & Co“ vom Ende des 19. Jahrhunderts sein, welches über den Zwischenhändler „Spiegel & Sohn“ in Ludwigshafen vertrieben wurde. Dies Objekt im Deutschen Musikautomaten-Museum im Schloss Bruchsal gelangte mit der Übernahme eines großen Teils der Sammlung von Jens Carlson aus Königslutter 2002 in den Bestand des DMM.

Orchestrion, Inv. Nr. 2002/1381, DMM, Foto Thomas Goldschmidt

Die Basis des Objektgehäuses bildet ein Klavierkorpus, darauf ein durch angedeutete Säulen gegliederter, zweizoniger schrankartiger Aufsatz, der sechs Hinterglasbilder zeigt. Das untere Mittelfeld der Glasbilder zeigt eine Schwalbe im Flug, in ihrem Schnabel ein Sträußchen aus Maiglöckchen, umwunden mit flatterndem Band.
Im oberen Mittelfeld befindet sich eine farbintensive Darstellung des „Trompeters von Säckingen“, überfangen mit dem Hinweis auf „L. Spiegel & Sohn, Ludwigshafen am Rh.“. Die übrigen Bildfelder, in einer pastelligen Farbgebung auf sepiafarbenem Grund, geben Blütenarrangements und Vögel wieder. Die beiden oberen scheinen als räumlich weite Landschaftsdarstellung mit Blütenzweigen (z. B. Kirschen) und darauf sitzenden Vögeln (in einer Mischung von Mehlschwalbe und Nachtigall), jeweils von Voll- oder Halbmond beschienen, von japanisch-chinesischen Rollbildern inspiriert zu sein. Dies lässt den damaligen „Japonismus“ als eine Wurzel der „Art Nouveau“, später als „Jugendstil“ bezeichnet, anklingen.
(Fotos: Mittleres Glasbild sowie obere Seitentüren des Orchestrions von „Frati“. Foto: Klaus Biber)   

Dem entspricht auch, dass das gesamte Gehäuse mit schwarzer Lackfarbe gefasst ist und die Vertiefungen, wie die Lisenen und Kapitelle der „Säulen“ oder die an die Renaissance und den Barock erinnernden „Arabesken“ am Klavierkorpus und den oberen Zwickeln der Bilder golden abgesetzt sind. Ebenso der Händlerschriftzug. Inspiriert scheint dies von japanisch-chinesischen Lackarbeiten.

„Japan-Waren“ im „Mode-Katalog Warenhaus A. Wertheim, Berlin 1903/1904“. Die Artikel verdeutlichen die breite Streuung des japanischen „Looks“ selbst in häuslicher Sachkultur. Unabhängig davon, ob sie in Asien für den Markt in Europa hergestellt wurden oder hier mit Motiven asiatischer Kunst entstanden.

Den oberen Abschluss des Gehäuses bildet ein über dem Mittelbild aufgesetzter muschelartiger Rundgiebel und seitlich aufgesteckte gedrechselte Schmuckelemente. Diese, wie auch die den Aufsatz gliedernden „Säulen“, sind Elemente des damaligen Möbelbaus. Die oberen seitlichen Bildfelder wurden als zu öffnende Türflügel ausgeführt, um die dahinterliegende Musikmechanik zu warten. Damit besitzt das Orchestrion den Charakter eines bürgerlichen Glas- bzw. Vitrinenschrankes. Die kompakte Form des Objektes und der seitlich oben links vorhandene Münzeinwurf verdeutlichen seine einstige Funktion als Musikautomat in einem Lokal.

Blick in die Technik des Orchestrions von „Frati. Die Pfeifenregister befinden sich am Boden, dahinter der Klavierrahmen. Oben die Percussionselemente. Foto: Klaus Biber


Das mechanische Musikinstrument besitzt ein Klavier mit 30 Tönen, ein Register offene Pfeifen mit 19 Tönen, die eine Violine imitieren und ein Register mit 19 gedeckten Pfeifen, die an ein Cello erinnern, ein Glockenspiel mit 8 Tönen, Kastagnetten, eine große und eine kleine Trommel sowie eine Triangel. Damit konnte die akustische Illusion einer ganzen Kapelle geschaffen werden. Der Antrieb des Objektes erfolgt elektrisch. Die Gesamtsteuerung der Instrumente und Funktionen wie etwa Vor- und Rücklauf geschieht über einen Notenblock mit 51 Löchern. Der Programmträger ist eine Papiernotenrolle, die pneumatisch abgetastet wird.
Aus dem Süden kommend…
Mit dem Wirtschaftsboom nach der Deutschen Reichsgründung 1871 kamen auch Menschen aus Italien nach Berlin. Sie arbeiteten im Baugewerbe etwa als Fachkräfte für Terrazzo-Böden, Wand-Mosaike etc. Meist stammten sie aus Norditalien, wo Landwirtschaft oder schwache Industriestrukturen kaum Perspektiven boten.
Der 1847 in Modena geborene Giovanni Battista Bacigalupo, der 1914 in Berlin verstarb, kam mit etwa 10 Jahren zunächst nach Paris, wo er dann bei dem aus Italien stammenden Ludovico Gavioli das Handwerk des mechanischen Orgelbaus erlernte. Die bereits 1806 in Italien gegründete und einst in Modena ansässige Werkstatt Gavioli hatte 1845 nach Paris übergewechselt. Dann arbeitete Bacigalupo für die ebenfalls italienischstämmige Werkstatt „Chiappa & Son“ in London, die neben mechanischen Orgeln auch mechanische Klaviere produzierte, die mit faltbaren, gelochten Kartonnotenbüchern gesteuert wurden. Giuseppe Chiappa, der auch bei Gavioli in Paris in die Lehre gegangen war, hatte 1864 in London eine eigene Werkstatt installiert.
1867 ging Bacigalupo nach Hamburg (wohl weil Chiappa für 10 Jahre nach Amerika auswanderte), wo er Musikinstrumente und Drehorgeln reparierte. 1873 zog es ihn nach Berlin. Sechs Jahre später gründete er dort mit dem Landsmann Chiaro Frati "Frati & Co." (ab 1884 auf der Schönhauser Allee 73), eines der ersten Unternehmen der Stadt, das mechanische Musikwerke herstellte. Nachdem Chiaro Frati 1890 zurück nach Italien gegangen war, gründete Bacigalupo 1891 die Firma „Cocchi, Bacigalupo & Graffigna“ in der benachbarten Schönhauser Allee 78 zusammen mit dem Orgelbauer Giuseppe Cocchi und dem Gastwirt Antonio Graffigna. Letzterer wurde für den Vertrieb bzw. den Verleih der hier produzierten Drehorgeln (an örtliche Drehorgelspieler mit städtischer Auftrittslizenz) zuständig. Auch diese beiden Gesellschafter hatten italienische Wurzeln. Im Betrieb arbeiteten wohl bis zu 50 Personen: Tischler, Drechsler, Schlosser, Bildermaler, Pfeifenmacher, Walzenarrangeure, Walzenzeichner, Walzenbestifter und Gürtler, die etwa die Trageriemen für die mobilen Instrumente fertigten. Diese Werkstatt bestand in rudimentärer Form in Ost-Berlin bis 1978 und erlangte einen großen Bekanntheitsgrad gerade unter den späteren Sammlern mechanischer Musikinstrumente.
Doch auch die Firma Frati existierte in Konkurrenz parallel weiter und befasste sich als „Fabrik mechanischer Musikwerke“ laut Selbstdarstellung in einem Katalog mit „Dreh- und Hand-, Orchester-Pianinos, Pianinos, Orchestrions, Concertinos, Salon- und Dreh-Orgeln“ für „Caroussels, Panoramas, Tanzsäle etc.“. Beide Firmen sind aber gerade Beispiele einer wirtschaftlichen wie der damit ebenso verbundenen gesellschaftlichen Etablierung von Zuwanderern im Wilhelminischen Kaiserreich.

Katalogtitel von „FRATI & Co Berlin N(achfolger).“, um 1890/1900. Archiv DMM. Neben der Ansicht der Produktionsstätte, die Präsentation von Teilnahmeplaketten an Gewerbe- und Weltausstellungen: Berlin 1879, Amsterdam 1883, London 1884, Antwerpen 1885, Görlitz 1885, Liverpool 1886, Barcelona 1888.]

Flugrouten
Das Orchestrion der Berliner Firma „Frati“ im DMM gibt ebenso Auskunft über die damaligen Vertriebswege mechanischer Musikinstrumente. Es war da durchaus üblich, dass die Händler von Markenprodukten auch ihre Namen an der Ware anbrachten. Ein Bericht um 1926 zu der Firma „Musik-Werke L. Spiegel & Sohn GmbH“ in Ludwigshafen, die auch Filialen in Mannheim und Wiesbaden besaß, und über die das Objekt des DMM verkauft wurde, kommentierte:

 „In Ludwigshafen a. Rhein, der größten Stadt der Pfalz, hat die Industrie schon seit Jahren dominierenden Einfluß, welcher sich nach dem Kriege noch bedeutend erstreckte. Ein großes und bekanntes Ludwigshafener Unternehmen hat den Namen der Stadt schon seit Jahrzehnten bekannt gemacht: Die Musikwerke L. Spiegel & Sohn GmbH. [Wobei sich der Begriff „Musikwerke“ nicht auf deren Herstellung, sondern auf die Verkaufsobjekte selbst bezog. A.S.] Der Gründer der Firma, Herr Franz Karl Spiegel, begann im Jahre 1892 in einem bescheidenen Verkaufsraume mit dem Handel der Musikwerke und den ersten Anfängen des Phonographen. Die Firma gehört somit zu den ersten der Musikinstrumentenbranche, welche sich der Neuzeit entsprechend auf Pianos [Sicher mechanische Klaviere A.S.] und den Vertrieb der Original-Grammophon-Sprechmaschinen [Wohl solche der von dem deutsch-amerikanischen Schallplatten-Pionier Emil Berliner 1898 gegründeten „Deutschen Grammophon Gesellschaft. A.S.] umgestellt hat. Die Geschäftsräume wurden im Jahre 1925 […] modernisiert. […] Der architektonisch sehr vornehm wirkende Raum in Verbindung mit der geradezu prächtigen Farbenharmonie, bringt die ausgestellten erstklassigen Musik-Instrumente wie: Pianos, Flügel, Harmoniums, Grammophone, Gramolas [Spanisch für Musikautomaten mit Münzeinwurf A.S.] sowie alle Saiten- und Jazzband-Instrumente, zur besten Geltung. [..] die Schaffung eines im ersten Stock gelegenen Kammermusik-Saales ermöglicht es, die ersten Fabrikate der Musikindustrie in Form von Konzerten zu hören. Kurz, die meisten Räume der L. Spiegel & Sohn GmbH. bilden eine Sehenswürdigkeit für unsere Stadt, an der niemand achtlos vorübergehen kann. […]“.

Lithographierte Bildpostkarte, gelaufen 1900. Archiv DMM. Erst 1843 wurde Ludwigshafen gegründet, wo zwanzig Jahre zuvor ein privat betriebener kleiner Hafen entstanden war. Die bayerische Krone als damaliger Herr der linksrheinischen Pfalz baute die nach König Ludwig I. benannte Siedlung in Konkurrenz zu Mannheim auf der badischen Flußseite aus. 1865 siedelte sich dort die Badische Anilin- & Sodafabrik (BASF) an, da sie von der Stadt Mannheim kein Gelände bekommen hatte. So wurde Ludwigshafen ein Beispiel der Industrialisierung schlechthin. Ob da Schwalben ihre Nester bauten?
Ansicht von „Musikwerke L. Spiegel & Sohn GmbH“ in Ludwigshafen, um 1926. Archiv DMM. Unter dem Namenszug der Firma Hinweise auf vertretene Hersteller von Techniksystemen oder Instrumenten. „Polyphon, Grammophone, Feurich, Schiedmayer, Schwechten, Bülow“.

Heimatgezwitscher
Das obere mittlere Glasbild des Orchestrions, welches nach Spuren im Innenraum des Objektes wohl einmal hinterleuchtet war, birgt ein regional-musikalisches Thema. Mit dem „Trompeter von Säckingen“ begann der in Karlsruhe geborene Joseph Victor von Scheffel (1826-1886) seinen Weg als Autor und Dichter. Der in Heidelberg, Berlin und München studierte Jurist und Philologe hörte in Säckingen von einer Liebesgeschichte aus dem 17. Jahrhundert: Der Bürgersohn Franz Werner Kirchhofer (1633-1690) lernte die im Schloss lebende Maria Ursula von Schönau (1632-1691) kennen. Trotz des Widerstandes ihrer Brüder heirateten beide 1657. Als Handelsmann, Ratsherr und Schulmeister wurde Franz Werner ebenso Leiter des Knabenchors am Fridolinsmünster.
1853 waren Scheffels epische Verse auf der Grundlage dieser Geschichte fertig und über die Metzlersche Buchhandlung in Stuttgart ediert worden. Der durchschlagende Erfolg des „Trompeters“ erfolgte in den 1870/80er Jahren. 1873 war eine Prachtausgabe mit den Illustrationen des Historienmalers Anton von Werner (1843-1915) entstanden. 1914 war die 300. Auflage erreicht. Der Handlungsstoff passte sich mit der Verklärung der Renaissance als große Ära Deutschlands im Wilhelminischen Kaiserreich, das zur nationalen Identitätsfindung den Historismus beschwor, gut ein. Auf dem Höhepunkt der Popularität des Werks wurde 1884 in Leipzig die Oper „Der Trompeter von Säckingen“ von dem Pfarrerssohn und Dirigenten am Leipziger Stadttheater Victor Ernst Nessler (1841-1890) aus dem Elsass mit dem Libretto von Rudolf Bunge (1836-1907) uraufgeführt.

Die Popularität der Oper zeigte sich ebenso in ihrer Umsetzung in Notenmaterial für Männerchöre mit Solostimmen, mit oder ohne Klavierbegleitung. Hier das Exemplar „Sämtliche Lieder Jung Werner’s“ aus dem Leipziger Verlag „J. Schuberth & Co.“, um 1900. Gedruckt bei Oscar Brandstetter in Leipzig, der seit etwa 1897 mit den neuesten Verfahren wie dem Rotationsdruck arbeitete. Archiv DMM

Scheffels „Trompeter“ hatte durchaus autobiographische Züge. Indirekt stellte er die unglückliche Liebe zu seiner Cousine dar, die bereits einem anderen versprochen worden war. Auch die an gesellschaftlichen Konventionen scheiternde Liebe war von damals von gesellschaftlicher Aktualität. Denn eine „standesgemäße Heirat“ rangierte im Wilhelminischen Kaiserreich vor einer „Liebesheirat“ über soziale Schranken hinweg. Verse und Melodie „Behüt’ Dich Gott! Es wär‘ so schön gewesen, Behüt’ Dich Gott, es hat nicht sollen sein!“ wurden zu einem verbreiteten Kürzel. Szenen des Erzählstoffes zwischen den Protagonisten Margaretha und Werner bzw. dem Abschied des Trompeters mit seinem Pferd aus der Stadt wurden zum Postkarten-Motiv in zahllosen Varianten.

Diese lithographische Postkarte um 1900 erscheint geradezu als die Vorlage des Hinterglasbildes des Orchestrions im DMM. Spiegelverkehrt, was dem Arbeitsprozess der Hinterglasmalerei beim Auftragen des Motivs entsprach. Archiv DMM

Dem späteren Kurort Bad Säckingen stiftete Scheffel so ein Alleinstellungsmerkmal, das 1918 zu einer Stummfilm-Verfilmung des Stoffes vor Ort führte. Die Neue Kino-Rundschau vom 5. Juli 1919 vermeldete:

„Mit der Verfilmung von Scheffels „Trompeter“ ist dem deutschen Lichtbild ein neues Kunstwerk entstanden, das in jeder Richtung befriedigend wirken muß. Die Handlung ist bewegt, mit prachtvollen Bildern, an den Originalstätten der Dichtung – Heidelberg und Säckingen – aufgenommen, umrahmt, die in den Originalkostümen um 1650 herum malerisch wirken. Die Darstellung weiß auch den Geist der damaligen Zeit hineinzulegen und Wirklichkeit und Dichtung innig zu verweben. Dadurch entstand ein selten schöner Spielfilm [ ...].“


Das Aufgreifen des Erzählstoffes für den Film in einer damaligen Zeit der Not und Unruhe ist sicher auch als ein Gegenpol einer kriegstraumatisierten Gesellschaft zu werten. Nach 1945 wurde vom Fremdenverkehrsamt Bad Säckingen die folkloristische Figur des „Trompeters“ im historischen Gewand ins Leben gerufen. Als Werbe- und Sympathieträger begrüßte oder verabschiedete er mit seinem Spiel z. B. Feriengäste am Bahnhof oder nahm an Festumzügen teil. Meist ist es der erste Trompeter der Stadtkapelle, der dieses Amt bis heute innehat.

Es scheint aber nicht alles, wie es ist
Wie eine Schwalbe noch keinen Sommer verspricht, birgt auch das beschriebene Orchestrion des DMM Aspekte des „Scheins“. Nicht nur, dass das Äußere des mechanischen Instruments für einen populären Mix von Historismus mit Anleihen an Renaissance, Barock, Rockoko und Japonismus steht. Auch ist das Glasbild des „Trompeters“ eine Ergänzung aus späterer Zeit. Dafür sprechen die durch den Holzrahmen erkennbar abgeschnitten Dekorelemente des Glasbildes oben und unten. Zudem besitzt diese Glasplatte eine andere Stärke als die übrigen. Vermutlich wurde hier in den 1970/80er Jahren ein konventioneller Wandspiegel „historisch“ aufbereitet. Für die eher laienhaft ausgeführte Hinterglasmalerei des „Trompeters“ – hinterlegt mit Pergamentpapier, um einen nicht deckenden Farbauftrag bei einer wohl auch in diesem Zusammenhang installierten Hinterleuchtung zu kaschieren – wurde die hintere Spiegelbeschichtung entfernt. Auf den verbliebenen Spiegelflächen oben und unten wurden florale Dekorelement aufgemalt. Vielleicht befand sich hier ursprünglich – wie bei anderen Objekten dieser Zeit – nur eine (satinierte) Glasplatte oder ein Spiegel, aber vermutlich dekoriert durch einen Aufdruck oder Schliff. Wohl wurde ebenso die Holzoberfläche – wie für den Sammlermarkt der 1970/80er Jahre üblich – farbig neu gefasst. Doch sicher am historischen Befund der Oberfläche angelehnt. Und trotz der aufwändigen Instrumentierung des Orchestrions entspricht die handwerkliche Ausführung der Technik des Objektes teils nicht mehr den alten Standards der ürsprünglichen Firma „Frati“. Durch Restaurierungsmaßnahmen, die vor der Übernahme des Objektes in das Museum geschahen – gerade in den verwendeten Materialien – ist das Instrument heute nicht mehr funktionstüchtig. Nur eine aufwändige Restaurierung in der Zukunft wird da Abhilfe schaffen können. Doch auch all dies ist Teil einer zu dokumentierenden Geschichte eines musealen Objektes.
 
Andreas Seim