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Frühjahrsgruß vom Stadtmuseum und Stadtarchiv

Eindrücke vergangener Sommertagszüge

Vor fast 100 Jahren fand 1902 der erste Sommertagszug durch Bruchsal statt. Diese Tradition geht auf einen mittelalterlichen Brauch zurück, bei dem im Frühjahr der Sommer begrüßt und der Winter verabschiedet wird. So treffen sich auch in Bruchsal alljährlich Groß und Klein, um verkleidet und mit den traditionellen Sommertagsstecken diesen Umzug durch die Stadt zu begehen. Als Symbol für den Sieg des Sommers über den Winter wird schließlich zum Abschluss des Zuges eine Schneemannfigur verbrannt. Initiiert wurde der erste Sommertagszug in Bruchsal 1902 unter anderem durch den Gastwirt Ferdinand Keller (1836 – 1906) und ist seitdem – wenn auch mit einzelnen Unterbrechungen – eine lebendig gehaltene Tradition des Bruchsaler Stadtlebens.

 Auch wenn der Umzug dieses Jahr leider den Vorgaben zum Infektionsschutz anheimfällt, möchten das Städtische Museum und das Stadtarchiv in diesem Beitrag den Sommertagszug dennoch als Bruchsaler Tradition präsent halten. In diesem Beitrag von Stadtarchiv und Städtischem Museum finden Sie eine kleine Collage zum Sommertagszug, die anhand der uns vorliegenden Museums- und Archivbestände verschiedene Aspekte des Umzugs beleuchtet.
Begleiten Sie uns auf einen virtuellen Sommertagsrundgang mit spannenden Einblicken in dessen Bruchsaler Geschichte!

Aufnahmen aus dem Bestand des Stadtarchivs

Der Sommertagszug gehört für Generationen von Bruchsalern fest zum Jahresverlauf dazu; Kindheitserinnerungen wurden dort geschaffen und später weitergegeben. Deshalb verwundert es nicht, dass Fotografien vom Zug, von einzelnen Umzugswagen oder Fußgruppen zahlreich den Weg in die Bestände des Stadtarchivs gefunden haben. Nicht nur offizielle Fotografennachlässe beinhalten diese Zeitdokumente, auch in den Sammlungen vieler Privatpersonen tauchen sie bei uns auf. Die Qualität der Fotos ist schon deshalb so unterschiedlich wie ihre Herkunft und ihre Entstehungsjahre, doch in jedem Fall sprechen sie davon, welchen Stellenwert der Umzug für die Familien hatte. Verkleidete Kinder sind natürlich das Hauptmotiv und viel ließe sich anhand der Bilder erforschen über den Wandel aber auch die Zeitgleichheit verschiedener Moden: die Knaben oft in Matrosenanzügen, die Mädchen mit geflochtenen Haaren - doch diese starre Mode wurde durchbrochen, wenn es die offiziellen Rollen im Rahmen von Winter und Frühling zu spielen galt; dann durften die Haare auch mal wild aussehen und der Rauschebart wurde mit ebensolchen Stolz getragen wie die Matrosenmütze. Doch eins fehlt selten: der obligatorische Stecken mit Brezel und Ei.

(c) Stadtarchiv Bruchsal

Modell des Sommertagszugs

Von Bildern der Sommertagszüge aus den 1950 und 1960 Jahren ließ sich Wilhelm Hillenbrand zu Beginn der 60er-Jahre zu einem 3,20 m langen Modell des Umzugs inspirieren. 2015 übergab er sein Werk dem Städtischen Museum Bruchsal. Im Maßstab 1:90 schnitzte Hillenbrand in Handarbeit insgesamt 345 Figuren aus Lindenholz und bewies damit nicht nur handwerkliches Können, sondern auch eine besondere Detailtreue bei der Herstellung der einzelnen Gruppen des Zugs.

(c) Städtisches Museum Bruchsal

Gemälde des Sommertagskomitees von Klaus Wendel

Gemälde des Sommertagskomitees von Klaus Wendel. Foto: Städtisches Museum Bruchsal

Durch ein Sommertagskomitee organisiert – hier neben dem Gestell des Schneemanns auf einem Gemälde von Klaus Wendel (1935 – 2005) aus dem Jahre 1965 zu sehen – findet der Umzug traditionell unter Einbezug der Bruchsaler Bevölkerung und Mitwirkung der Schulen, Kindergärten und Vereine statt. Wendel wurde in Landau geboren und schuf dieses Werk im selben Jahr, in dem er sich in Bruchsal niedergelassen hatte. Nach Ende seines Studiums an der Kunstakademie Karlsruhe bei Professor Karl Hubbuch arbeitete er bis 1998 als Kunsterzieher. Neben gegenständlichen Ölgemälden, Werken aus dem Bereich der Op-Art und Skulpturen im öffentlichen Raum schuf Wendel auch die „Brennenden Giraffen“, mit denen er im Jahr 2004 im Rahmen der Dalí-Ausstellung im Hof des Bruchsaler Schlosses für eine spektakuläre Installation sorgte.  

Die Bruchsaler Sommertagsstandarte

Die ursprüngliche Fahne mit dem Schriftzug „Sommertag Bruchsal“ zeigt im Zentrum die Symbolik des Bruchsaler Wappens bestehend aus Kreuz und Kugel. Eingefasst ist dieses Element durch zweigähnliche Gebilde, die unter der zentralen Wappenscheibe durch ein Band zusammengehalten werden. Sowohl unter dem Fahnentuch als auch an der Spitze der Standarte ist die Brezel als traditionelles Zeichen des Sommertagszugs zu sehen. So sind Brezel und Ei auch auf den typischen Sommertagsstecken zu finden, die den Zug begleiten. Das Ei als Symbol für Fruchtbarkeit und die ineinander verschlungene Brezel als Zeichen für den ewig wiederkehrenden Kreislauf aus Werden und Vergehen bezeugen beide den Beginn der Sommerzeit, die durch neue Blüte das Ender der Leere der winterlichen Speisekammern einläutet.

Kindermusikanten ziehen durch Bruchsal
Die Bruchsaler Sommertagsstandarte beim Umzug. Foto: Stadtarchiv
Standarte mit Bretzel, Stadtwappen und Schriftzug
Die Bruchsaler Sommertagsstandarte. Foto: Städtisches Museum Bruchsal

Da uns keine Farbfotos der Sommertagszüge aus dieser Zeit vorliegen, können wir über die Farbgebung der Standarte nur mutmaßen. Vermutlich bei der Bombardierung Bruchsals am 1. März 1945 wurde die auf dem schwarz-weiß Foto abgebildete Fahne zerstört und 1949/50 durch die rechts zu sehende Standarte ersetzt. Diese ist noch heute alljährlich in Gebrauch und zeigt in ähnlicher Weise wie ihre Vorgängerin neben dem Stadtwappen Symbole, die für Fruchtbarkeit, Wachstum und neues Leben stehen. Entworfen wurde die Fahne von der Bruchsaler Künstlerin Marie-Luise Schneider und in kunstvoller Handarbeit von Luise Winter bestickt, die in Bruchsal ein Geschäft für Kurzwaren und Handarbeitsartikel führte. Die Besonderheit der heutigen Fahne liegt in der Handwerkskunst der Stickereien, da die Blattstichstickerei, in der die plastisch hervorgehobenen Elemente umgesetzt sind, sehr aufwendig ist. Heute wird diese Technik kaum noch beherrscht und meist durch einfache Maschinenstickerei ersetzt.