Beitrag des Deutschen Musikautomaten-Museums
Hopfen und Malz, Gott erhalt‘s – was ein Musikautomat im DMM erzählen kann
Deutschland ist ein Land des Bieres: „Jedes Jahr werden etwa acht Milliarden Liter Bier in Deutschland getrunken. In Deutschland gibt es über 1.350 Braustätten, die circa 5.000 verschiedene Biere herstellen. Also kann ein Bierliebhaber theoretisch 13,5 Jahre lang jeden Tag ein neues Bier aus Deutschland trinken und verkosten. Aber nicht nur hier zu Lande werden deutsche Biere genossen. So wurden 1,5 Milliarden Liter Bier 2014 ins Ausland exportiert“. So berichtet die „bierlinie“, ein Biergroßhandel für Gewerbe, Handel & Gastronomie mit Sitz in Berlin auf seiner Internet-Seite, was den deutschen Bierkosmos knapp skizzieren kann. Und noch ein deutsches „Bier-Superlativ“ muss erwähnt werden. Das „Oktoberfest“ in München gilt als das größte Volksfest der Welt mit zahllosen Plagiaten nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Das Original, wie seine Ableger, sind im letzten Jahr, wie in diesem, der Corona-Pandemie zum Opfer gefallen. Doch dies mag nichts daran ändern, dass das Brauen von Bier ein kulinarisches „Kulturerbe“ Deutschlands ist. Und überall da, wo sich deutsche Auswanderer niederließen, da folgte das deutsche Brauwesen. Nicht umsonst sind viele Bier-Dynastien in den USA deutschen Ursprungs. Und auch die größte Bierbrauerei Chinas in Qingdao (Tsingtao) geht auf die kolonialen Ambitionen des wilhelminischen Deutschlands zurück.
Die historische Herkunft des Getränkes ist zu komplex, um dies hier auszubreiten. Seine Herkunft ist bereits früh für den vorderasiatischen Raum belegt, etwa aus Babylon. Im alten Ägypten war es ein Teil der Entlohnung der Arbeiter. Ohne Bier wären die Pyramiden und Tempel entlang des Nils also nicht zustande gekommen. Ja, teils vermuten Archäologen, dass der Wechsel menschlicher Gemeinschaften vom Jäger und Sammler zum sesshaften Ackerbau damit verknüpft war, indem man den Effekt vergorenen wilden Getreides für spirituelle Zeremonien entdeckte. So sollen in Göbekli Tepe in der heutigen Türkei, einem Hot-Spot neolithischer Kultur, in großen Steintrögen nicht nur Getreide aufbewahrt worden sein, sondern man stellte chemischen Analysen zu Folge wohl darin auch bereits Bier her.
Im mittelalterlichen Deutschland war Bier ein wichtiges Lebensmittel beziehungsweise eine Alternative zu schlechtem Trinkwasser. Gerade in den Städten. Weil da auch vieles lebensgefährlich mit Zusätzen „gepantscht“ wurde, wurden immer wieder Gebote zur „Reinheit des Bieres“ erlassen, von denen das Bayerische Reinheitsgebot von 1516 im kollektiven Gedächtnis der Brauerwelt und Konsumenten hängen geblieben ist, aber auch bis heute als Richtlinie seiner Herstellung weiterhin Bedeutung hat.
Die kleine Kneipe…
Der Ausschank von Schnaps und Bier in einer „Kneipe“, wo man an der Theke noch Wurst, Brot und Solei serviert bekam, war eine Folge der industriellen Revolution im 19.Jahrhundert. Diese kleinen, einfach ausgestatteten Lokale, die mit der Phase der Hochindustrialisierung wie Pilze aus dem Boden schossen, waren vor allem von Arbeitern frequentierte Orte. Eine spezielle Form war das „Schnapskasino“, das mit den „Sozialistengesetzen Bismarcks“ (1878-90) und zeitgleich erlassenen Sperrstunden entstand. Wo sich die Arbeiterschaft traf und trank, da fürchte die Obrigkeit Subversion und Revolte. Als privater „Geselligkeitsverein“ deklariert und meist ohne reguläre Schanklizenz, ermöglichte diese Kneipenform einen billigen Vollrausch. Die Erhöhung der Branntweinsteuer 1887 und neue Gewerbeordnungen 1896 sagten dann dem günstigen Hochprozentigen, zum Beispiel dem seit 1816 bekannten preußischen Kartoffelschnaps, den Kampf an.
Der Arbeiter trank nun eher Bier, auch weil das von der Jahreszeit unabhängige Brauen untergäriger Biere „als Lagerbier“ durch die künstliche Kühlung von Carl von Linde möglich wurde. Auch verlangten immer komplexere Produktionsmethoden nüchterne Arbeiter. Bier lieferte da einen weniger starken Rausch, obwohl sich nicht wenige weiter „das Leben schön soffen“. Viele Familien des „Proletariats“ in den wachsenden städtischen Ballungsräumen konnten sich zum Beispiel die Mieten kaum leisten, lebten auf engem Raum und nahmen gegen Geld noch „Schlafgänger“ auf. Junge Arbeiter, denen man Betten im „Schichtbetrieb“ vermietete. So gab es für die Familien kaum Privatsphäre, noch weniger für deren Untermieter. Gerade diese zog es mit der Einführung gesetzlich geregelter Arbeitszeiten für das „Feierabendbier“ nach körperlich anstrengender und schmutziger Arbeit in die Kneipen. Ein weiteres Phänomen des deutschen Kaiserreiches war die „Stehbier-Halle“. Solche wurden von den Brauereien selbst betrieben. Wie bei heutigen „Steh-Cafés“ in Bäckereien umging man ohne Bestuhlung weiteren behördlichen Bestimmungen für ein Lokal. Aber man hatte eine Verkaufsmöglichkeit, da neben Flaschenbier - wie in Wirtschaften allgemein - eher in „Bierkannen“ abgezapftes Bier für den häuslichen Verzehr über die Theke ging.
Übrigens leitet sich „Kneipe“ aus der studentischen „Burschensprache“ des 18. und 19. Jahrhunderts ab, was eine Bierschenke bezeichnete, aber dann auch die Kommersabende in den Verbindungslokalen und -häusern, wo unter „Männern“ der künftigen Eliten mehr als verträglich gezecht wurde. Aber die Kneipe als „Wohnzimmer des kleinen Mannes“ war nicht nur Ersatz für eine fehlende Privatsphäre. Hier pflegte man Kontakt zu Kollegen, möglichen Arbeit- oder Auftraggebern sowie letztlich zu politischen Interessenvertretern der Arbeiterschaft, denen Agitation lange verboten oder erschwert waren.
Die Kneipe als gesellschaftliche Institution beziehungsweise proletarisch-kleinbürgerliche Insel der Gemütlichkeit hatte also ihren Ursprung im industriell-urbanen Milieu, das schließlich auch in den kleinstädtisch-ländlichen Raum ausstrahlte. Mit dem allgemeinen demoskopischen Wandel ab den 1970er Jahren und gleichfalls mit dem strukturellen Wandel in vielen Regionen ab den 1990er Jahren geriet die klassische Kneipe immer mehr ins Hintertreffen. Der einfache Fabrikarbeiter oder „Kumpel“ aus dem Bergbau und der gemeine Matrose wurde langsam zur raren Spezies. Neue Formen oder Bezeichnungen wie „Bistro“, „Pub“, „Osteria“, „Trattoria“, „Bar“ oder „Club“ hinterlegen diese Entwicklungen. Doch bereits 1976 wurde mit der einsetzenden Nostalgiewelle „die Kneipe“ von Peter Alexander besungen.