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Adventsreihe

1. Advent: Wintergruß des Städtischen Museums

"Hohlweg am Eichelberg", Radierung von Willy Klein. Foto: Städtisches Museum

Für kaum eine andere Kulturlandschaft sind Hohlwege so charakteristisch wie für den Kraichgau. Durch die Nutzung der Wege über Jahrzehnte oder in manchen Fällen gar Jahrhunderte entstanden tief in den Boden eingeschnittene Wegrinnen. Durch Vieh und Fuhrwerke wurden die lockeren, obersten Bodenschichten dieser Wege über die Zeit verdichtet. Vor allem im weichen Lössboden des Kraichgaus entstanden so durch die ständige Nutzung festgetretene Wegfurchen. Anders als beispielsweise bei befestigten römischen Straßen wurde zusätzlich feines Bodenmaterial, welches sich bei Trockenheit durch die mechanische Belastung der Wege ansammelte, durch Regen abgeschwemmt und grub die Fahrwege und Trampelpfade als Hohlwege in den Kraichgau. Die so entstandenen, begrenzenden Lösswände bieten einer zahlreichen Tier- und Pflanzenwelt wertvollen Lebensraum wie beispielsweise besonderen Moosen, Wildbienenarten und kleinen Amphibien.
Ein besonders schönes Beispiel eines winterlichen Hohlwegs am Eichelberg zeigt eine Radierung des 1902 in Bruchsal geborenen Heimatmalers Willy Klein. Dieser Druck macht das Wesen eines Hohlwegs als Charakteristikum unserer Region schnell begreifbar. So sind die weich abfallenden Lösswände deutlich erkennbar, ebenso wie der winterliche Bewuchs des ursprünglichen Bodenniveaus, der den Weg mit seinen kahlen Ästen überdacht. Technik und Farbwahl des Bildes unterstützen die winterliche Stimmung des Motivs und verschaffen der verschneiten Landschaft dennoch eine lebendige und agile Atmosphäre, wie sie für Kleins Werke besonders typisch ist.
Besonders schöne Wandertouren durch die Hohlwege unserer Region hat die BTMV für Sie zusammengestellt. Vor allem die Routen BR6 und BR7 sowie H2 und H3 sind hierfür geeignet.
 

2. Advent: Wintergruß der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg

Schlossgarten Bruchsal, Skulptur „Der Winter“
Foto: Dr. Manfred Schneider, Nußloch – www.monumente-im-bild.de
Schlossgarten Bruchsal, Kastanienallee mit Gartenskulpturen
Foto: Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg, Günter Bayerl

Ein Spaziergang durch den winterlichen Schlossgarten
...hat seinen ganz speziellen Reiz. Man genießt die Ruhe, ohne die Betriebsamkeit in den warmen Jahreszeiten. Wenn man Glück hat, und auch noch die Sonne scheint, erinnert der Park an eine Märchenlandschaft. Die kahlen Äste von Reif überzogen, glitzern im hellen Sonnenlicht. Eventuell liegt auch Schnee auf den Ästen und dem Boden, was das optische Erlebnis natürlich noch steigert. Wir beginnen den Rundgang am unteren Teil des Parks und vor uns erscheint das Schloss am Ende der verschneiten Kastanienallee. Falls die Sonne fehlen sollte, und ein Nebeldunst über der Anlage hängt, wirkt auch das Hauptgebäude wie ein geheimnisvolles Märchenschloss. Fast erwartet man, Feen und Trolle aus den Seitenwegen hervorkommen zu sehen. Steinfiguren solcher Trolle finden sich auch tatsächlich am Ende der Allee vor dem rechten bemalten Orangeriegebäude. Bis dahin führt uns der Weg weiter durch die Mittelallee. Links und rechts tauchen aus dem Dunst Skulpturen auf.
Es handelt sich um Steinfiguren des Hofbildhauers Joachim Günther aus der Rokokozeit. Sie entstanden zwischen 1760 und 1765 unter dem 2. Fürstbischof Franz Christoph von Hutten zum Stolzenberg. Es ist zu kalt, um auf den Bänken zu verweilen, und so bietet sich die Gelegenheit, diese Figuren etwas eingehender zu betrachten.
Dargestellt sind zunächst die 4 Elemente, gefolgt von den 4 Jahreszeiten. Die Jahreszeiten und die Elemente bestimmen die Natur. Der Philosoph Jean Jaques Rousseau hat 1750 gefordert, wieder „Zurück zur Natur“ zu gehen und weg von der strengen Ordnung der Barockzeit, mit ihren symmetrischen Anlagen.
Als erstes erscheint die Erde mit dem Löwen als Tierattribut, dem Füllhorn, mit den Früchten der Erde und der Mauerkrone auf dem Kopf. Gegenüber ist das Feuer dargestellt, mit Feuersalamander und einem Feuertopf. Im Anschluss folgt das Wasser, ein Neptun oder Poseidon, der Gott des Meeres mit einem Ruder in der Hand. Zwischen seinen Beinen liegt ein Fisch, dem Wasser aus dem Maul fließt. Dem Wasser gegenüber steht die Luft, mit einem Adler als Tiersymbol. Der Adler fliegt in der Luft.
Die Jahreszeiten beginnen aus dieser Richtung mit dem Winter. Das ist ja auch die aktuelle Jahreszeit. Ein alter, bärtiger Mann, halbnackt aber mit einem Hut, wallendem Tuch und einem Fellmuff vor der Kälte geschützt. Die Arme sind jedoch unbedeckt , und auch ein nacktes Bein ist zu sehen. Wie die anderen Figuren ist auch der Winter barfuß. Ein nacktes Kleinkind sitzt zu seinen Füßen. Als Schutz gegen die Kälte hat es sich ein Tuch über den Kopf gezogen. In einem Topf versucht es ein Feuer zu entfachen. Holzvorräte sind hinter dem Winter aufgeschichtet. Wie bei den anderen Skulpturen wird die Bedeutung der Figur in den Sockeln noch einmal erklärt. Beim Winter gibt es hier Holz, das schon teilweise gehackt zu sehen ist, teilweise als Äste, die noch zu verkleinern sind. Eine Axt liegt dafür bereit. Natürlich dürfen auch Flammen nicht fehlen, die finden sich auf einer anderen Seite des Sockels. Beim Anblick dieser Skulptur überkommt uns zunächst ein Frösteln. Jedoch nach näherem Nachdenken erkennt man, dass doch eigentlich gegen die Kälte vorgesorgt ist und wir so auch den Winter genießen können. Was wir in diesem interessanten Garten auch tun. Es folgen Herbst und Sommer und schließlich der Frühling, der die Natur wieder zum Leben erweckt.
Auf der oberen Schlossterrasse angekommen, wenden wir uns nach rechts zum schiefen Baum von Bruchsal. Ein Catalpa oder Trompetenbaum, durch Kriegsschäden schief gewachsen. Möglicherweise trägt er sogar ein Schneehäubchen. Verschlungene Pfade führen vorbei an der Grotte, mit hängenden Eiszapfen und dem zugefrorenen Ententeich. Der Rundgang endet vorzugsweise am späten Nachmittag vor dem ältesten Baum der Anlage, eine Deutsche Eiche, gepflanzt um 1750. Jetzt geht die Sonne hinter den kahlen, oder auch schneebedeckten Ästen des hohen Baumes unter und färbt den Himmel blutrot. Bei diesem Naturschauspiel verlassen wir den Park, dem wärmenden Glühwein entgegen.

3. Advent: Wintergruß des Stadtarchivs

Altes Bruchsaler Rathaus von 1715. Foto: Stadtarchiv Bruchsal, Sammlung Habermann.

Pittoresk sah es aus, das alte Bruchsaler Rathaus im Schneegestöber. 1715 wurde es an der Stelle erbaut, an der bereits 1539 ein Rathaus errichtet worden war und an der auch das heutige Rathaus am Marktplatz steht. Sandsteinsäulen, Bogenformen im Erdgeschoss und ein geschwungener Schmuckgiebel nach oben machten die Barockfassade aus. Im Frühling und Sommer zierten üppige Blumenkästen die gewandeten Fenster der Obergeschosse, zu Weihnachten wurde eine Tanne aufgestellt.               
Das Foto stammt aus der „Fotosammlung Habermann“. Der Hobbyfotograf und Schnabel & Henning-Angestellte Ernst Habermann hat über Jahrzehnte zu seinem eigenen üppigen Fotobestand weitere Fotografien der Bruchsaler gesammelt, die die historische Stadt und das städtische Leben von der Jahrhundertwende bis zum Zweiten Weltkrieg abbilden. So dokumentiert zum Beispiel ein anderes Foto aus dem Bestand, dass bei heftigem Schneefall die städtischen Bediensteten auch mal ihre Büros verlassen und selbst beim Schneeschippen vor dem Rathaus Hand anlegen mussten.  

4. Advent: Wintergruß des Deutschen Musikautomatenmuseums

Die Fotos lassen sich durch Anklicken vergrößern.

„Sound of Christmas – Weihnachtsspieldosen“
Mit seinen Exponaten gibt das Deutsche Musikautomatenmuseum im Schloss Bruchsal einen umfassenden Überblick über die Entwicklung selbstspielender Musikinstrumente seit dem 18. Jahrhundert. Doch seine Depots bergen noch weitere Sammlungsbestände, die nicht in der Dauerpräsentation des Museums gezeigt werden. Der Jahreszeit entsprechend offeriert das DMM hier einige seiner Weihnachtsspieldosen aus dem Vogtland und den USA…
Weihnachtsklang auf „Weltniveau“
Hölzerne Spielwaren und Weihnachtsartikel aus dem Erzgebirge, als eine Produkt-Alternative zum schwindenden Bergbau, wurden im späten 19. Jahrhundert zu einem Synonym deutscher „Volkskunst“ und Weihnacht. Dem konnte auch die Teilung Deutschlands in Ost und West kaum etwas anhaben. Die Artikel galten in beiden politischen Systemen als Preziosen. Da man das Gros der Produktion devisenbringend in den Westen verkaufte, waren die kunsthandwerklichen Erzeugnisse – darunter Spieldosen - in der DDR selbst als „Bückware“ nur über Beziehungen zu dem herstellenden Betrieb oder den Zwischenhändlern erhältlich.
1956 soll der einstige Präsident der DDR Wilhelm Pieck die Entwicklung eines im eigenen Staat produzierten Spielwerks für Spieldosen angeordnet haben, um von Importen aus der Schweiz und Japan unabhängig zu werden. Doch auf fast allen Teilen der Spielwerkmechanik lagen Patente. Ein Team in der vogtländischen Musikinstrumentenstadt Klingenthal wurde beauftragt, dieses Problem zu lösen: Statt der massiven bestifteten Metallwalzen, setzte man solche aus einzelnen gestanzten Nokenscheiben mit Ausbuchtungen zusammen. Und statt des gesägten Stimmkamms aus einer Metallplatte, wurden einzelne Zinken zu einem Block zusammengeschraubt. 1963 konnten die ersten Spielwerke aus dem Vogtland, kombiniert mit Gehäusen und geschnitzten oder gedrechselten Figuren aus dem Erzgebirge ausgeliefert werden. War die Produktion zunächst klein, stieg sie in den 1970er Jahren. Etwa 30.000 wurden dann pro Jahr hergestellt. Trotz staatlich propagiertem Atheismus zeigt eine Vielzahl der Spieldosen weihnachtliche Motive und Melodien. Charakteristisch, dass neben massiven hölzernen Grundkörpern, auch solche aus Holzspan-Streifen entstanden, die mit einfach aufzubringendem – daher kostensparenden - Schablonen-Druck verziert sind.
1986 wurde staatlich angeordnet, die Herstellung der Spieldosen aus dem Vogtland an ein Leipziger Kombinat anzubinden und in dessen Teilstandort Rothenkirchen zu verlagern. Die Klingenthaler Spieldosenbauer mussten die Kollegen dort anlernen. Der weiterhin handwerkliche Aufwand für die Spielwerke führte dann aber nach der Wende 1989 zum „Aus“ für die vogtländischen Spieldosen. Zudem noch Plagiate von Weihnachtsschmuck „erzgebirgischer Art“ aus Fernost den Markt fluteten. Die Objekte im DMM sind nicht nur Zeugen deutscher Weihnachtsseligkeit, sondern auch deutsch-deutscher Geschichte. Gerade auch in Bezug auf die 30. Wiederkehr der Wiedervereinigung Deutschlands in diesem Jahre.
 
Musikdosen: Klingenthal, 1970/80er Jahre, Spielwerke mit ein oder zwei Liedern, Inv. Nr. 2009/552, 2009/554, 2009/558

Text: Andreas Seim

Holidays are coming…
Weihnachten in den USA trägt viele Prägungen durch seine Einwanderer aus allen Himmelsrichtungen. Doch besonders von zwei Seiten: England und Deutschland, da sie mit die größten und damit kulturell dominanten Einwanderungsgruppen stellten. Dies formte sich Mitte des 20. Jahrhunderts dann zu etwas eigenem aus: Die Gestalt von Santa Claus in seinem von Rentieren gezogenen Schlitten, der statt dem Christkind die Gaben am 25. Dezember durch den Kamin in den unten aufgehängten Strümpfen ablegt, große buntgeschmückte und funkelnde Weihnachtsbäume und Außenbeleuchtungen, fantastische Gingerbread-Houses (Lebkuchenhäuser), Zuckerstangen, Mistel und Stechpalme, Christmas Carols oder Handglocken-Chöre sind Elemente des „Merry X-mas“. Selbstredend gehört die Spieldose zu diesem Repertoire, die diese Motive aufgreift. Gerne in diversen Materialien, Formen und Dimensionen. Elektronische Musikwiedergabe erweiterte die Möglichkeiten.
Durch den politischen, ökonomischen wie kulturellen Austausch zwischen den USA und der BRD nach 1945 hat sich „Typisches“ US-amerikanischer Weihnacht auch problemlos hier etabliert, gründet doch einiges auf gleiche Wurzeln. Nicht nur, dass Weihnachtsmann und Santa Claus eng verwandt sind. Vom Weihnachtsbaum gar nicht zu reden. Um 1880 exportierte Frank Winfield Woolworth erstmals gläserne Weihnachstkugeln, in Heimwerkstätten in Lauscha und Umgebung in Thüringen hergestellt, in die USA. Gegen 1900 bestellte er für seine Kaufhauskette rund 200.000 Stück und figürlichen Christbaumschmuck pro Jahr. Kein Wunder, dass „Weihnachtsspieldosen“ aus den USA sich auch in Deutschland verkauften. Hinzu kommt, dass das Liedgut oft gleich ist. Hervorzuheben ist die Firma „Mr. Christmas“ in Memphis/Tennesse, gegründet 1933, die sich auf die Herstellung von klingenden Weihnachtsdekorationen spezialisiert hat.
Viele beurteilen solche Objekte gerne als „Kitsch“. Dies ist relativ, gründet auf dem jeweiligen Standpunkt des Betrachters. Manche mögen es eben bunter, funkelnder, größer und lauter. Der damit oft verbundene Vorwurf der Kommerzialisierung des Weihnachtsfestes kann aber auch als Motor verstanden werden, neue, und irgendwann wieder „traditionelle“ Kulturformen hervorzubringen. In einer kulturwissenschaftlichen Betrachtung besitzen solche Objekte mechanischer Musik im DMM einen ebenso beachtenswerten Stellenwert wie jene aus den Jahrhunderten zuvor.
 
 
Haus mit Spielwerk: “Santa’ Musical Workshop”, Mr. Christmas Inc. Memphis/Tennesee, Made in China, Spielwerk mit Lochstreifen, 15 Melodien, Elektrobetrieb, um 2005, Inv. Nr. 2017/45
Haus mit Spielwerk: USA, um 2000, Musikchip, eine Melodie, Batterien, Inv. Nr.2017/46

Text: Andreas Seim